Glosse. Fabian Schambron mag Weihnachten. Wirklich. Dies nicht zuletzt, weil ihm die Festtage schier unendlichen Stoff und eine jährlich wiederkehrende Ausrede für Glossen geben.
Eigentlich dürfte es mich nicht verwundern, dass zum Fest der Liebe alle nur das Allerbeste für alle anderen wollen. Als guten Menschen dürfte es mich auch nicht misstrauisch machen, wenn plötzlich die halbe Welt wundervolle Ideen hat und mir diese natürlich mitteilen will. So feiert ein grosses Kaufhaus Weihnachten «im Grand Hotel» und findet per Prospekt, das habe mich doch auch zu interessieren: Ein Kaufhaus, das übers Jahr kein Grand Hotel ist, tut vier Wochen lang so, als ob ein Grand Hotel sei, was weiterhin Kaufhaus bleibt. Immerhin geschieht dies aus dem guten Grund, dass bald der kürzeste Tag im Jahr ist und man überall Tannenbäumchen aufstellt. Klar, dass man unter diesen Umständen die Kunden wie die Gäste eines Grand Hotels behandeln will – halt einfach ohne Grand Hotel. Wegen der Bäumchen. Und dem kürzesten Tag. Logisch.
Noch rührender ist es, wenn sich die in meinem Heimatkanton leider unentbehrliche Zeitung endlich um mein Wohlbefinden bemüht, das sie monatelang mit ihrer Berichterstattung untergraben hat. Sie berichtete zum Beispiel mit vorbildlicher Neutralität über die (sinngemäss zitiert) «megatolle» Unternehmenssteuerreform III, die von Leuten wie mir «einfach nicht verstanden wurde.» (Wenn ich ein paar Grand Hotels besässe, könnte ich mich vielleicht für solche Reformen erwärmen. Dann tue ich zu Weihnachten natürlich so, als seien meine Hotels eigentlich Kaufhäuser!) Nach Monaten solcher Schreibe liegt meinem liebsten Presse-Erzeugnis jedenfalls ein bunter Katalog bei: Die besten Weihnachtsmärkte! Die schönsten Geschenke! Die lebendigsten Lebkuchen! Das versetzte mich dermassen in Weihnachtsstimmung, dass ich auf einem Wochenendtrip an 879 verschiedenen Weihnachtsmärkten 879 verschiedene Holzengel kaufte. (Leider sahen bei Licht betrachtet alle gleich aus.) Zugleich sinniert natürlich die halbe Redaktion der Zeitung – und aller anderen Zeitungen im deutschsprachigen Raum – in den Kommentarspalten über die Kopplung von Weihnachten und Konsum. Jaja, früher war Weihnachten halt besser, weil eben weniger mehr war und man sich mit bescheidenen 723 Holzengeln zufriedengab. (Und Grand Hotel hatte man schon gar keins!)
Aber vielleicht wird ja doch alles gut! Vielleicht gibt es ja Weihnachtswunder! Vielleicht ist Er-der-nicht-schon-wieder-genannt-werden-soll gar nicht Präsident des mächtigsten Staates der Welt, vielleicht gelingen mir dieses Jahr die Mailänderli und vielleicht fahren ab diesem Jahr all jene Zugreisenden, die in den Zug einsteigen wollen, bevor ich aussteigen kann, tatsächlich zur Hölle – mit demselben Zug, versteht sich: «Das Zugteam der SBB begrüsst Sie in der S26 nach Boswil-Bünzen, Muri, Rotkreuz, Vorhölle, Erster Kreis…» Vielleicht ist aber auch der ganze Weihnachtszauber faul und meine Wenigkeit am 26. Dezember wieder um eine Illusion ärmer. Umgekehrt spricht natürlich nichts dagegen, im Winter ein wenig zu träumen, denn vielleicht liegt darin auch der Sinn der ruhigeren Tage am Ende des alten Jahres. Gut, ich träume, aber ganz bescheiden und (wie immer) aufs Wesentliche beschränkt: «Das Zugteam der SBB begrüsst Sie in der S26 nach Boswil-Bünzen, Muri, Rotkreuz, Vorhölle, Erster Kreis…»