Der Hummer im Hirn

Hundert Tonnen Antikörper

Bei der Suche nach dem Antikörper waren neben der Universität Zürich auch deren Spin-off-Firma Neurimmune sowie das Biotech-Unternehmen Biogen beteiligt. In Luterbach bei Solothurn baut Biogen zurzeit für über eine Milliarde Franken eine biopharmazeutische Produktionsanlage, in der unter anderem auch Aducanumab kommerziell hergestellt werden soll. Produziert wird der Antikörper mithilfe von Zellkulturen, die aus den Eierstöcken einer chinesichen Hamsterart stammen. Den Bedarf an Aducanumab schätzt Roger Nitsch zurzeit weltweit auf bis zu hundert Tonnen.

Doch bevor das neue Alzheimer-Medikament auf den Markt kommen kann, muss es noch hohe Hürden nehmen. Für die Zulassung des Antikörpers verlangen die schweizerischen, europäischen und amerikanischen Kontrollbehörden zwei breit angelegte klinische Studien. Diese haben bereits begonnen. In gut 300 beteiligten Zentren, verteilt über zwanzig Länder Europas, Asiens und Nordamerikas, werden insgesamt 2700 Alzheimer-Patientinnen und -patienten 18 Monate lang mit Aducanumab (oder einem Placebo) behandelt. Auf diese Weise will man nicht nur die Wirksamkeit, sondern auch die Sicherheit des neuen Heilmittels überprüfen.

Fallen die Resultate positiv aus, ist Roger Nitsch überzeugt, dass sich Aducanumab in nicht allzu ferner Zukunft im Gesundheitswesen etabliert. Und dass auch Krankenversicherer das Medikament gerne auf ihre Listen nehmen, hat es doch präventiven Charakter und hilft, hohe Betreuungskosten zu vermeiden.

Bluttest zur Alzheimer-Diagnose

Die Kassen, so schätzt Nitsch, hätten dann auch ein Interesse daran, vor der Aducanumab-Behandlung entsprechende Untersuchungen zu finanzieren. «Heute geschieht dies noch mit bildgebenden Verfahren und ist sehr teuer, aber in der Zukunft wird sich Alzheimer wohl anhand einfacher Bluttests diagnostizieren lassen», meint Roger Nitsch.

Ist Aducanumab die einzige Hoffnung? Lässt sich sonst nichts gegen Alzheimer tun? Viel Bewegung und gesunde Ernährung hätten zwar statistisch eine gewisse vorbeugende Wirkung gezeigt, sagt Nitsch. Diese sei aber verschwindend klein und könne den Ausbruch der Krankheit nicht verhindern. Auch eine geistige Tätigkeit habe bei starker Demenz keine wirklich präventive Funktion, obwohl der Volksmund dies behaupte. «Alzheimer kann alle Menschen treffen, Fussballer genauso wie Philosophinnen», sagt Roger Nitsch, «denn die Hauptrisikofaktoren sind die Genetik und das Alter.» «Die einzig echte Prävention», sagt Nitsch und schmunzelt, «wäre es deshalb, sich seine Eltern gut auszusuchen und früh zu sterben.»

Michael T. Ganz

Artikel auch erschienen
im UZH Magazin 4/16

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