Die Gleichstellung von Frau und Mann muss weiterhin warten

Die bisherigen Erfolge reichen längst nicht aus

Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Damit Frauen sich beruflich engagieren und weiterentwickeln können, braucht es unter anderem eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dazu gehört auch eine ausgewogenere Aufteilung von Haus-, Familien- und Erwerbsarbeit. Denn noch immer ist das klassische Modell, dem gemäss der Mann Vollzeit erwerbstätig ist und die Frau gar nicht arbeitet, bei 23,3 Prozent der Paarhaushalte mit jüngstem Kind unter vier Jahren die Realität, auch wenn der Anteil von dereinst 59,2 Prozent im Jahr 1992 auffallend stark gesunken ist. Am weitesten verbreitet ist nach wie vor das Rollenmodell, bei dem Väter vollzeitig der Erwerbsarbeit nachgehen und Mütter teilzeitbeschäftig sind; es hat zwischen 1992 und 2017 von einem Viertel auf rund die Hälfte dieser Familien zugenommen und sich damit verdoppelt. Diesbezüglich lässt sich in der Schweiz auch ein kultureller Unterschied feststellen, indem in der welschen Schweiz Eltern, die beide vollzeitlich arbeiten, häufiger sind.

Die Berufstätigkeit von Müttern ist unter anderem abhängig vom Alter der Kinder. Je älter der Nachwuchs, desto mehr erhöht sich im Schnitt das Arbeitspensum von Frauen, wobei dieses in 50 bis 89 Prozent der Haushalte in einem Teilzeitpensum besteht. Anders präsentiert sich die Situation von alleinstehenden Müttern: Schon immer waren sie und sind auch aktuell häufiger erwerbstätig als Mütter in Partnerschaft, zudem fällt auch ihr Beschäftigungsgrad mehrheitlich höher aus.

Massnahmen und Rezepte, die Frauen entlasten und ihnen ein berufliches Engagement und Vorankommen ermöglichen, gibt es etliche. Dazu gehören verstärkte Investitionen in Kinderkrippen und Tagesschulen, die Möglichkeit des Homeoffice und für pflegebedürftige Angehörige auch vermehrte Betreuungsangebote und Spitex. Die Schwierigkeit hierbei – und das wird auch in Kritiken von Betroffenen laut – ist oft mangelnde Flexibilität. Wenn wechselnde Arbeitstage für die Kitas schwierig werden, die hohe Präsenzzeit der Angestellten kaum Spielraum lässt und alternative Arbeitsmodelle bei Unternehmen auf kein Gehör stossen, dann bleibt auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf kein Kinderspiel. Als Folge davon treten Frauen oft ein paar Schritte zurück und nehmen eine zwar familienkompatiblere, aber weniger anspruchsvolle Arbeit in Kauf. Mit Konsequenzen, die sich wegen der häufigen Teilzeitpensen von Frauen und der tieferen Löhne gleich zweifach negativ auf ihre Renten im Pensionsalter auswirken.

Vaterschaftsurlaub als wichtiges Zeichen

Auf dem Weg zur tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein Schlüsselelement. Es braucht daher Rahmenbedingungen, die die Vereinbarkeit fördern. Erst wenn diese stimmen, können Paare eine faire Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit unter sich ausmachen und gemeinsam Verantwortung für Erwerbs-, Haus- und Familienarbeit übernehmen. Und zwar soll dies allen Paaren möglich sein, nicht nur den gut bis sehr gut verdienenden.

Massnahmen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen stehen vielseitig zur Debatte, dazu gehören etwa existenzsichernde Löhne, Lohngleichheit zwischen Frau und Mann, Chancengleichheit im Beruf, flexible Arbeitszeitmodelle, Familienzulagen, bessere Infrastruktur sowie rechtliche Gleichstellung von Teilzeitarbeit und Vollzeitarbeit. Eine der Forderungen, die zurzeit hoch aktuell ist, ist der Anspruch auf einen bezahlten Vaterschaftsurlaub – das Anliegen wurde in der laufenden Herbstsession behandelt und soeben angenommen: Nach dem Ständerat im Juni hat vergangene Woche auch der Nationalrat dem indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Für einen vernünftigen Vaterschaftsurlaub – zum Nutzen der ganzen Familie» zugestimmt, der Vätern nach der Geburt ihres Kindes zwei Wochen bezahlte Betreuungszeit gewährt. Damit erhält die Schweiz erstmals einen im Gesetz noch zu verankernden Vaterschaftsurlaub. Ein historischer Moment – nicht zuletzt auch für die Gleichstellung von Frau und Mann.

Mit dem Vaterschaftsurlaub wird eine wesentliche Benachteiligung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt, zumindest auf dem Papier, ausgeräumt. Denn noch vor dem Muttersein erfahren Frauen beruflich geschlechtsspezifische Nachteile: Allein in der möglichen Familienplanung sehen Arbeitsgeber bei der Anstellung junger Frauen nach wie vor ein Risiko, weil im Falle einer Schwangerschaft ein Ausfall an Arbeitskraft bei gleichzeitigen Lohnkosten auf sie zukommt. Mit dem Ja zu einem gesetzlich verankerten Vaterschaftsurlaub dürfte sich diese Haltung verändern – nun können auch alle Väter unabhängig vom Arbeitgeber direkt nach der Geburt eines Kindes Teil der Familie sein und von Anfang an Verantwortung übernehmen.

Dass das Thema an sich in der Gleichstellungspolitik zentral ist und aktuell bleiben wird, machte allein die gut sechsstündige Dauer der nationalrätlichen Debatte klar. Nicht nur meldeten sich 58 Rednerinnen und Redner zu Wort, sondern es wurden auch verschiedene Elternzeit-Modelle vorgebracht und damit bereits weitergehende Massnahmen gefordert und debattiert.

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