Die Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern bewegt sich in die richtige Richtung: Das Lohngefälle zwischen Frauen und Männern ist um 3.8 Prozent auf 15.1 Prozent gesunken. Ein Grund für diese positive Entwicklung ist der steigende Bildungsstand der Frauen, welcher auch den Anreiz erhöht, während der Familienphase (zumindest teilweise) im Arbeitsmarkt zu bleiben. Um die positive Entwicklung zu unterstützen, schlägt der Bundesrat eine Revision des Gleichstellungsgesetzes vor, welche für die Arbeitgeber/innen eine Pflicht zur Lohnanalyse vorsieht.
Die positive Entwicklung des Lohnunterschieds seit den achtziger Jahren ist trotz der noch bestehenden Differenz bemerkenswert. Benachteiligungen aufgrund der Geschlechter bzw. insbesondere aufgrund des weiblichen Geschlechts sind weitgehend verschwunden und die Lohnsumme der Frauen steigt im Vergleich mit der Lohnsumme der Männer schneller, stellt Dr. Patrick Schellenbauer vom Think-Tank Avenir Suisse fest. Er führt diese Entwicklung auf den steigenden Bildungsstand der Frauen zurück. So hat der Anteil weiblicher Studierenden seit den Achtzigerjahren um rund 20 % zugenommen, was zu einem Gleichstand beider Geschlechter führt. Diese Veränderung dient auch dem Arbeitsmarkt, da besser ausgebildete Frauen so trotz Familiengründung einen grösseren Anreiz haben, im Erwerbsleben zu bleiben. Die positive Entwicklung der gesamten Lohnsumme der Frauen ist ausserdem darauf zurückzuführen, dass Berufseinsteigerinnen durchschnittlich besser gebildet sind als diejenigen Arbeitnehmerinnen, die gleichzeitig aus dem Arbeitsleben (infolge Pensionierung) austreten, erklärt Schellenbauer.
Auch das Bundesamt für Statistik führt die positive Entwicklung auf den Lohnanstieg in Berufen mit einem höheren Frauenanteil zurück. In der Zeit von 2008 bis 2014 sind denn auch die Löhne im obersten Segment mit rund 3.6 Prozent weniger stark gestiegen als die Löhne im tiefsten Segment, wo der Anstieg ca. 9.1 Prozent beträgt. In der Mittelklasse betrug der Lohnanstieg rund 6.8 Prozent. Auf den geschlechterspezifischen Lohnunterschied hat dies aufgrund des höheren Frauenanteils (60 Prozent) bei Niedriglohnstellen (Bruttolohn < 4500 Franken) einen markanten Einfluss. Der Frauenanteil beträgt bei Stellen mit einem Bruttolohn von über 16 000 Franken immerhin nur knapp 14 Prozent.
Das Bundesamt für Statistik stellte ausserdem fest, dass geschlechterspezifische Lohnunterschiede je mehr zunehmen desto höher die Anforderungen der Arbeitsstelle sind. Die Differenz beträgt hier 22.1 Prozent. Deutlich tiefer sind die Lohnunterschiede (12.4 Prozent) bei Arbeitsstellen mit weniger Verantwortung. Ein weiterer Grund für die noch bestehende Lohndifferenz ist zudem die noch immer vorherrschende Einreihung in typische Frauen oder Männerberufe.
Gesamthaft beträgt der geschlechterspezifische Lohnunterschied im Jahr 2014 somit 15.1 Prozent. Die ist eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Vorjahr, als die Differenz noch 18.9 Prozent betrug. Gemäss Lohnstrukturerhebung lassen sich davon rund 8 bis 9 Prozent nicht mit objektiven Kriterien erklären, weshalb von tatsächlichen Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts ausgegangen wird. Solch objektive Gründe für den Lohnunterschied sind neben dem tieferen Frauenanteil bei gut bezahlten (Kader-)Arbeitsstellen auch strukturelle Merkmale wie das Alter, die Anzahl Dienstjahre, die Ausbildung, Weiterbildungen oder die Verantwortung am Arbeitsplatz.
Avenir Suisse ist hingegen der Ansicht, dass nicht tatsächliche Diskriminierungen die Ursache sind, sondern das unterschiedliche Verhalten von Mann und Frau in der Arbeitswelt. Die Studie «Gleichstellung − Warum der Arbeitsmarkt nicht versagt» sieht als wichtigsten Grund die tradierten gesellschaftlichen Werte, welche bereits bei der Berufswahl zum Tragen kommen. Die Aufteilung der Familienpflichten und die damit zusammenhängende Reduzierung des Arbeitspensums von Müttern sowie die vorherrschende weibliche Abneigung gegenüber technischen Berufen sowie Tätigkeiten, welche eine hohe zeitliche und/oder örtliche Flexibilität erfordern, sind für einen grossen Teil der noch bestehenden Lohnungleichheit mitverantwortlich.
Die Studie hält denn auch fest, dass es sich nach Ansicht ihrer Autorinnen und Autoren weniger um einen Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen, sondern eher um einen zwischen Müttern und Vätern handelt.