Ausblick
Der Bundesrat weist darauf hin, dass regelmässige AHV-Reformen notwendig sind, um die laufenden Herausforderungen und Entwicklungen, insbesondere im strukturellen Bereich, auffangen zu können. Die vorliegende Reform sichert die AHV maximal für die nächsten 10 bis 15 Jahre. Nach der geplanten Reform AHV 21 ist deshalb Mitte des nächsten Jahrzehnts eine weitere Reform notwendig, welche bereits die Entwicklungen über das Jahr 2030 hinaus berücksichtigt.
Meinungen aus dem Vorstand und der Geschäftsleitung
von Öffentliches Personal Schweiz (ZV)
Die Redaktion der ZV Info fragte im Vorstand und in der Geschäftsleitung von Öffentliches Personal Schweiz (ZV) nach den persönlichen Meinungen zum Vorentwurf zur Stabilisierung der AHV (AHV 21). Zu Wort kamen auch Ruedi Brosi, Ehrenmitglied, und Andreas Cabalzar, Pensionskassenreferent.
Kurt Gasser (Vorstand)
Die Voraussetzungen haben sich seit der abgelehnten Altersreform 2020 nicht geändert. Wie der Bundesrat richtig feststellt, sind rasch wirksame Massnahmen zur Stabilisierung dringend notwendig. Allerdings weichen die nun vorgeschlagenen Massnahmen nur gering von den früheren ab.
Zu den einzelnen Massnahmen:
- Es ist eine Tatsache, dass die Lebenserwartung sowohl bei Frauen wie auch bei den Männern seit 1948 stark gestiegen ist. Eine Erhöhung des Rentenalters ist unumgänglich. Die Erhöhung des Rentenalters für Frauen muss abgefedert werden! Die Variente 1 des Ausgleichsmodells finde ich dazu zielführend.
- Es muss aber auch über eine generelle Erhöhung auf 66 Jahre nachgedacht werden.
- Die Flexibilisierung zwischen 62 und 70 Jahren ist zu begrüssen – obschon diese in der Umsetzung nicht einfach wird. Ebenfalls die angedachten Anreize zur Weiterarbeit nach dem Referenzalter sind in der Praxis nicht einfach zu handhaben.
- Die Erhöhung der Mehrwertsteuer begrüsse ich sehr – ist es doch die Massnahme, mit welcher auch die Rentner zur Stabilisierung einen Beitrag leisten.
Zur Stärkung des wichtigsten Werkes unserer Altersvorsorge ist zu hoffen, dass sich die politischen Parteien nun endlich zu einem Konsens durchringen und die bundesrätliche Vorlage nicht wieder zerpflücken und überladen.
Fabian Schambron (Vorstand)
Dass die AHV stabilisiert werden muss, ist unbestritten. Auch gegen die individuell handhabbare Flexibilisierung des Rentenalters spricht grundsätzlich nichts. Die Erhöhung des Referenzalters für Frauen war allerdings schon bei der letzten Reformvorlage äusserst problematisch und bleibt es auch in der Wiederholung, Kompensationsmassnahmen hin oder her. Dass sie alternativlos ist, bezweifle ich immer noch. Mit skeptischem Interesse werde ich ausserdem beobachten, ob die Idee, tendenziell länger zu arbeiten, sich im Kontext der fortschreitenden Digitalisierung und Automatisierung als tragfähig erweist.
Urs Stauffer (Präsident)
Für eine langfristige Stabilisierung der AHV besteht unbestrittenermassen dringender Handlungsbedarf. Die Flexibilisierung des Rentenalters ist zu begrüssen; diese Massnahmen wird den individuellen Bedürfnissen gerecht. Problematischer erscheint mir die geplante Erhöhung des Referenzalters für Frauen. Diese kategorisch abzulehnen ist meines Erachtens falsch, es müssen jedoch entsprechende Ausgleichsmassnahmen vorgesehen werden – zumal nach wie vor keine Lohngleichheit herrscht. Es ist fraglich, ob die vom Bundesrat vorgeschlagenen Massnahmen ausreichend sind, um die Erhöhung des Frauenreferenzalters – trotz bestehender Lohnungleichheit – zu kompensieren.
Iris Braunwalder (Vorstand)
Das Sorgenbarometer Altersvorsorge steht ganz oben. Das ist kein Wunder, denn die Finanzierung der ersten Säule ist nicht mehr gesichert. Alleine im letzten Jahr gab die AHV rund 1 Milliarde Franken mehr aus, als sie einnahm. Meines Erachtens mangelt es am solidarischen Gedanken. Es darf nicht sein, dass die Jugend alles «bucklä» muss. Hinzu kommt, dass die Lebenserwartung in der Schweiz seit 1948 massiv gestiegen ist. Im Pensionsalter von 65 Jahren hatten die Männer 1948 eine Lebenserwartung von 12.4 Jahren, heute sind es 18.9 Jahre, bei den Frauen ist das Verhältnis von 14 auf 22 Jahre angestiegen. Der Trend der steigenden Lebenserwartung setzt sich vorerst fort.
Fazit: 1948 unterstützten 4 Erwerbstätige 1 Rentner/in, irgendwann in den Jahren 2040 bis 2050 werden noch 2 Erwerbstätige für 1 Rentner/in aufkommen müssen. Das Nein zur «Altersreform 2020» im Herbst 2017 betrachte ich als klares Zeichen, dass die Bevölkerung eine finanziell nachhaltige und generationengerechte Neuordnung wünscht.
Der Bundesrat sollte bei der beruflichen Vorsorge einen konkreten Fahrplan präsentieren, um die systemwidrige Umverteilung von Jung und Alt einzudämmen. Beim aktuellen Vorgehen tragen die heute jungen Generationen die Hauptlast der Sicherung der Altersvorsorge. Gerade die «Babyboomer», deren Erwartungen an die AHV hoch sind, werden kaum belastet. (Ich selbst, wenn auch knapp, gehöre auch dazu; Geburtsjahre 1946 bis 1964) Eine aufrichtige und ernsthafte Diskussion über diese Frage der Generationengerechtigkeit hat bislang, meines Wissens, noch nicht stattgefunden. Sie wäre dringend zu führen.
Auch dasselbe Rentenalter für Mann und Frau ist eine legitime Forderung, es ist auch eine legitime Forderung, wenn die Frauen zu Lebzeiten denselben Lohn bekämen wie die Männer. Obwohl, wenn ich darüber nachdenke, ist Lohngleichheit dem Parlament in Bern anscheinend nicht wichtig genug.
Seit 1981 ist in der Bundesverfassung verankert, dass Männer und Frauen für gleichwertige Arbeit den gleichen Lohn erhalten sollen. Die Frauen erinnern sich:
- 2014: Frauen verdienten in der Gesamtwirtschaft im Mittel etwa 18% weniger als Männer
- 2017: Der Bundesrat will grosse Unternehmen zu regelmässigen Lohngleichheits-Analysen verpflichten
- 2017: Ständerat schickt Gesetz zurück
Vielleicht würden die Frauen weniger auf die Barrikaden gehen, wenn 2017 nicht innerhalb weniger Tage Massnahmen zur Lohngleichheit abgelehnt und dann kurz darauf mit einer Erhöhung des Frauen Rentenalters aufgewartet wurde.
Wir kommen nicht an der Tatsache vorbei, dass die AHV strukturelle Massnahmen benötigt. Alles andere ist weder nachhaltig noch generationengerecht. Wir alle wissen, dass die Zahl der Rentnerinnen und Rentner, viele davon mit einer hohen Lebenserwartung, in den nächsten Jahren stark ansteigen wird.
Es ist die Aufgabe der Politik, der Bevölkerung «reinen Wein einzuschenken», die Tatsachen auf den Tisch zu legen und das Problem bei der Wurzel zu packen. Über eine klare, verständliche und saubere Information ist eine Mehrheit für ein höheres Rentenalter ohne jeden Zweifel zu erreichen. Strukturelle Massnahmen sind unabdingbar! Die Politik vermittelt jedoch den Eindruck, dass sie sich der unangenehmen Aufgabe entzieht und den Weg des geringsten Widerstands geht.