Die Ablehnung der Altersvorsorge 2020 ist in einer sozialen Perspektive ein schmerzhafter Rückschlag. Oder genauer: Eine verpasste grosse Chance für soziale Fortschritte.
Die Vorlage hätte für viele Jahre eine solide Finanzierung der AHV gebracht. Und das Rentensystem wäre sozial modernisiert worden, mit Vorteilen für fast alle.
Das Nein hat es viel leichter
Das Abstimmungsresultat bestätigt einmal mehr, dass es, wenn es um die Renten geht, das Nein viel leichter hat als ein Ja zu einer Veränderung. Schaut man genauer hin, so waren es allerdings schwergewichtig sozialpolitische Argumente, die zu einem Nein führten. Die Wirtschaftsverbände beliessen es mit ihrer Kampagne nicht dabei, die Generationen gegeneinander aufzuhetzen. Sie und die mit ihnen verbündeten Rechtsparteien hatten Verbesserungen für die Rentner immer bekämpft. Jetzt warben sie mit dem Slogan „Rentner bestrafen“ für das Nein, weil die Rentnerinnen und Rentner den Zuschlag nicht bekämen. Viele Ältere, die Mühe haben, mit der Rente über die Runden zu kommen, folgten dieser Parole. Das aber spricht nicht für schlechtere, sondern für bessere AHV-Renten für alle. Den Gegnern der Vorsorgereform wird ihre eigene Kampagne noch auf die Füsse fallen.
Auch viele Frauen stimmten Nein, weil sie die Heraufsetzung des Rentenalters nicht akzeptieren konnten. Dies umso weniger, als die Frauen in der Schweiz noch immer deutlich weniger verdienen als die Männer. Die auch Jahrzehnte nach Annahme des entsprechenden Verfassungsartikels nicht realisierte Lohngleichheit war und bleibt auch in der Rentenfrage ein wichtiger Faktor bei der Meinungsbildung.
Protest gegen Pensionskassen
Für grossen Unmut sorgten in Diskussionen regelmässig auch die sich unabhängig von der gesetzlichen Regelung ständig verschlechternden Pensionskassenrenten. Sie bewogen nicht wenige, aus Protest ein Nein in die Urne zu legen.
Wenn es eine unmittelbare Lehre aus dem Abstimmungsresultat gibt, dann jene, dass die Finanzierungsvorlage für einmal besser abgeschnitten hat als die Rentenvorlage. Früher war das anders. Im Ergebnis heisst das nichts anderes, als dass eine Mehrheit für eine Zusatzfinanzierung für die AHV in Reichweite wäre. Ob die politische Weisheit und Weitsicht vorhanden ist, sich in einem ersten Schritt auf eine reine Zusatzfinanzierung zu konzentrieren, ist allerdings zweifelhaft. Realisierbar wäre sie rasch, vorausgesetzt der politische Wille wäre da, wenn sie mittels der im Abstimmungskampf kaum bestrittenen Lohnpromille realisiert würde. Denn dafür wäre keine obligatorische Volksabstimmung nötig.
Die Renten weiter verteidigen
Für die Gewerkschaften bleibt klar, dass sie die Renten gegen jeden Abbau verteidigen werden. Der knappe Misserfolg vom Sonntag ändert nichts daran, dass die gewerkschaftlichen Abstimmungserfolge gegen den Rentenabbau in den Jahren 2004 und 2010 viel grösser waren (mehr als zwei Drittel bzw. über 70% Nein). Die Sieger vom Sonntag werden bald an ihre Grenzen stossen.
Trotz des Rückschlags vom Sonntag bleibt eine starke AHV ein zentrales Ziel des gewerkschaftlichen Kampfs. Schon die Einführung der AHV vor siebzig Jahren wurde nur möglich, weil die Arbeiterbewegung sich trotz vieler Niederlagen nicht entmutigen liess und weiter kämpfte. Die Volksinitiative AHVplus hatte vor einem Jahr in der Volksabstimmung einen Ja-Anteil von gut 40% erreicht. Bei der Altersvorsorge 2020 waren es jetzt fast 48%.
Das Ziel besserer AHV-Renten bleibt für die Zukunft aktuell. Unabhängig von der verpassten Chance vom Sonntag. Dafür sorgen allein schon die wegen der tiefen Zinsen auf den Kapitalmärkten sinkenden Renten der Pensionskassen. Und die steigenden Krankenkassenprämien, die den AHV-Renten davonlaufen.