Wertmethode oder Zeitmethode – was ist richtig?

Korrekte Erfassung von Arbeitszeit, Ferien, Feiertagen und Krankheitstagen bei Teilzeitmitarbeitenden

Zulässigkeit der Wertmethode

Das Bundesverwaltungsgericht prüfte mit Urteil vom 29. September 2014, ob bei Teilzeitarbeit die Wertmethode die Gleichbehandlung von Voll- und Teilzeitangestellten betreffend Ferientage  wahre (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (A-1607/2014 vom 29. September 2014). Zur Hauptsache setzte sich das Bundesverwaltungsgericht dabei mit der Frage auseinander, ob sich die Wertmethode Art. 20a des Bundesgesetzes über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (Arbeitsgesetz, ArG) vom 13. März 1964 bei der Erfassung von Ferientagen widerspreche.

Das Arbeitsgesetz ist im Grundsatz bei öffentlich-rechtlichen Anstellungsverhältnissen nicht anwendbar (Art. 2, Art. 3 und Art. 3a ArG).  Dennoch prüfte das Bundesverwaltungsgericht die Anwendung der Wertmethode in Bezug auf Ferientage auf die Übereinstimmung mit Art. 20a ArG insofern, als es den Vorwurf entkräften wollte, wonach der Bund im Bereich des Bundespersonalrechts eine Praxis verfolge, die er Privaten verwehre.

Gemäss Art. 20a ArG ist privaten Arbeitgebern die Beschäftigung von Arbeitnehmern am Bundesfeiertag sowie an den kantonalen Feiertagen, die Sonntagen gleichgestellt sind, untersagt (vgl. Art. 20a Abs. 1 in Verbindung mit Art. 18 Abs. 1 ArG).

Das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO), Fachstelle des Bundes für Arbeitnehmerschutz, hält auf seiner Webseite fest, dass die an Feiertagen ausgefallene Arbeitszeit nicht nachgeholt werden müsse (www.seco.admin.ch, besucht am 10. Januar 2020). Demnach ist denkbar, dass das SECO damit betreffend Feiertage der Wertmethode die Anwendung versagen will. Da das SECO von Gesetzes wegen die
Durchführung des Arbeitsgesetzes beaufsichtigt und koordiniert sowie für eine einheitliche Rechtsanwendung zu sorgen hat (Art. 75 der Verordnung 1 zum Arbeitsgesetz [ArGV 1] vom 10. Mai 2000), kommt dieser sinngemässen Auffassung in Anwendung des Privatrechts ein grosses Gewicht zu. Dies gilt umso mehr, als auch Streiff/von Kaenel/Rudolph im von ihnen verfassten Kommentar mit Hinweis auf Art. 20a ArG sinngemäss die Auffassung vertreten, dass bei fix vereinbarter Teilzeitarbeit die Zeitmethode zur Anwendung gelangen soll und bei schwankenden Einsätzen eine Mischmethode (Ullin Streiff/Adrian von Kaenel/Roger Rudolph, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319-362 OR, 7. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2012, Art. 329 N 14).

Im erwähnten Urteil setzte sich das Bundesverwaltungsgericht mit der Auffassung des SECO auseinander. Es hielt fest, dass ein  unmittelbares Nachholen der Minusstunden wegen Feiertagen nicht erforderlich sei, wenn die Minusstunden nicht per Stichtag ausgeglichen  sein müssen, sondern eine Kompensation von fehlenden Stunden über einen längeren Zeitraum geschehen könne (was häufig der Fall sei). Im Übrigen sei es möglich, in einem Einzel- oder Gesamtarbeitsvertrag einen Ausgleich der Arbeitszeit für Feiertage vorzusehen. Dies unter der Bedingung, dass durch das Vor- oder Nachholen die gesetzliche Höchstarbeitszeit nicht überschritten werde. Daraus schloss das Bundesverwaltungsgericht m.E. zweierlei:

  • Einerseits können sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf die Wertmethode einigen, und
  • andererseits führt die Wertmethode gar nicht zu einem direkten Nachholen von Arbeitszeit, und damit besteht kein Konflikt mit dem Arbeitsgesetz.

Die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts betreffend das Nachholen der Minusstunden und der daraus gezogene Schluss überzeugen nicht. Es mag zutreffen, dass kein Nachholen der Stunden in unmittelbarer Nähe zum Feiertag erfolgen muss, aber ein Nachholen findet faktisch statt. Der dafür zur Verfügung stehende Zeitraum kann nicht entscheidend sein. Wie das Bundesverwaltungsgericht allerdings zu Recht festhält, muss keine Kompensation aller Minusstunden infolge von Feiertagen erfolgen. Bei Anwendung der Wertmethode reduziert sich zwar der Zeitsaldo nach einem Feiertag, der auf einen Anwesenheitstag fällt, doch erhöht er sich an anderen Feiertagen, die auf einen Wochentag ohne Anwesenheit fallen, wieder. Sofern sämtliche Feiertage zufällig über die Woche verteilt wären, wäre diese Kompensation langfristig gesehen eine vollständige. Indes fallen Karfreitag, Ostermontag, Auffahrt und Pfingstmontag, welche in der Regel als Feiertage gemäss Art. 20a ArG gelten, jedes Jahr auf dieselben Tage der Woche.

Wenn ein Mitarbeitender zum Beispiel mit einem Beschäftigungsgrad von 80% angestellt ist, auf den jedoch 100% der erwähnten «fixen» Feiertage fallen (vier von vier), werden pro Jahr bei einer Arbeitswoche von 42 h durchschnittlich 6,72 h Stunden nicht automatisch ausgeglichen (Minussaldo: 4 x [8,4 h – 6,72 h] = 6,72 h) und sind – wie gesagt – faktisch vor- oder nachzuholen.

Demnach stellt sich als zweiter Punkt die Frage, ob Art. 20a ArG – wie das SECO auf seiner Webseite sinngemäss festhält – dem Vor- oder Nachholen der Minusstunden tatsächlich entgegensteht. Richtigerweise verweist das Bundesgericht hierzu auf die Lehre, wonach mittels Einzel- oder Gesamtarbeitsvertrag ein vollständiger Ausgleich der ausgefallenen Arbeitszeit infolge Feiertagen erfolgen kann (Thomas Geiser/Adrian von Kaenel/Rémy Wyler, Stämpfeli’s Handkommentar, Arbeitsgesetz, Bern 2005, Art. 20a N 13 und N 20). Wie gesehen (Rz. 28 f.) führt die Wertmethode nicht zu einem vollständigen Vor- oder Nachholen der ausgefallenen Arbeitszeit, sondern nur, wenn die Ferientage bei Teilzeitarbeit überproportional auf Arbeitstage fallen. Es erfolgte somit kein vollständiger Ausgleich der ausgefallenen Arbeitszeit. Da aber ein vollständiger Ausgleich, gestützt auf eine Vereinbarung gemäss der Lehre, zulässig ist, muss ein teilweiser Ausgleich umso mehr zulässig sein. Im Ergebnis führt dies dazu, dass die Wertmethode auch im Privatrecht zumindest gestützt auf eine Vereinbarung im Einzel- oder Gesamtarbeitsvertrag angewendet werden kann.

Gestützt auf den Umstand, dass auch im Privatrecht ein Ausgleich zulässig sein kann, schloss das Bundesverwaltungsgericht, welches ein öffentlich-rechtliches Anstellungsverhältnis zu beurteilen hatte, dass der Bund mit der Anwendung der Wertmethode keine Praxis verfolge, die er Privaten verwehre. Im Ergebnis gelangte das Bundesverwaltungsgericht zur Auffassung, dass die Anwendung der Wertmethode in Bezug auf die Erfassung von Ferientagen in der Zeiterfassung nicht zu beanstanden sei.

Diese Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts ist aber nicht unbestritten (Selina Castelberg, Teilzeitarbeit – ein Plädoyer, unter: www.klara.ch, besucht am 7. Januar 2020), und es bleiben Unsicherheiten betreffend die Frage, wie ein Gericht zukünftig in Bezug auf die Anwendung der Wertmethode entscheiden wird. Dies sei der Vollständigkeit halber an dieser Stelle erwähnt.

Es sind zu dieser Thematik seit dem Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts keine weiteren Urteile – weder betreffend das öffentlich-rechtliche noch das privatrechtliche Anstellungsverhältnis – ergangen, und es fand auch keine vertiefte Auseinandersetzung mit der Fragestellung in der Lehre statt. Daher ist derzeit davon auszugehen, dass in Bezug auf ein öffentlich-rechtliches Anstellungsverhältnis ein Gericht im Streitfall die Zulässigkeit der Wertmethode bejahen wird. Da Anstellungsverhältnisse mit reduziertem Beschäftigungsgrad damit faktisch ein Vor- oder Nachholen von Minusstunden zur Folge haben können und auch angesichts der erwähnten Auffassung des SECO ist zu empfehlen, zukünftig die Wertmethode auch bei öffentlich-rechtlichen Anstellungsverhältnissen bereits mit dem Arbeitsvertrag schriftlich zu vereinbaren. Denn bei entsprechender Vereinbarung ist auch bei privatrechtlichen Anstellungsverhältnissen unbestritten, dass auch ein vollständiger Ausgleich der ausgefallenen Arbeitszeit erfolgen darf. Umso mehr muss dies dann für einen teilweisen Ausgleich bei öffentlich-rechtlichen Anstellungsverhältnissen, wo Art. 20a ArG nicht direkt anwendbar ist, gelten.

Vereinbarkeit der Wertmethode mit Art. 46 ArG

Im Weiteren wird teilweise die Auffassung vertreten, die Wertmethode verstosse gegen das Arbeitsgesetz, da dieses eine korrekte Erfassung der Arbeitszeit und der Absenzen verlange. Art. 46 in Verbindung mit Art. 73 ArGV 1 fordert explizit jedoch keine Erfassung der Absenzen, sondern bloss das Festhalten der geleisteten Arbeitszeit. Über das Erfassen von Fehlzeiten infolge Feiertagen oder Krankheit lässt sich den gesetzlichen Grundlagen zum Arbeitsgesetz nichts entnehmen. Demnach steht Art. 46 ArG der Wertmethode nicht entgegen.

Vereinbarkeit der Wertmethode mit Art. 324a OR

Gleiches ergibt sich aus der denkbaren Argumentation, Angestellte hätten gemäss Art. 324a des Bundesgesetzes betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht) vom 30. März 1911 (sofern darauf im Personalreglement verwiesen wird) bei Krankheit Anspruch auf den vollen – und nicht auf einen reduzierten – Lohn, woraus folge, dass einem Angestellten im Krankheitsfall die Zeit so gutgeschrieben werden müsse, wie wenn er gearbeitet hätte. Bei der Anwendung der Wertmethode wird der Lohnanspruch nicht tangiert. Grundsätzlich erhält der Teilzeitmitarbeitende auch bei Krankheit den vollen Lohn.

Fazit

Die Anwendung der Wertmethode bei Teilzeitarbeitenden ist verbreitet (Selina Casteberg, Teilzeitarbeit – ein Plädoyer, unter: www.klara.ch, besucht am 7. Januar 2020; Muss mir der Chef den ganzen Feiertag gutschreiben, unter: tagesanzeiger.ch, besucht am 7. Januar 2020), und es spricht aus rechtlicher Sicht – gerade gestützt auf das Urteil des Bundesverwaltungsgericht bei öffentlich-rechtlichen Anstellungsverhältnissen – im Grundsatz nichts gegen deren Anwendung. Tendenziell ist die Zeitmethode aus rechtlicher Sicht zwar weniger angreifbar, die Wertmethode führt aber ebenfalls zu befriedigenden Ergebnissen – nur mischen sollte man die beiden nicht.

5 Kommentare “Wertmethode oder Zeitmethode – was ist richtig?

  1. Danke für diese Übersicht, die meines Erachtens aber nicht ganz vollständig ist.

    Bei der Wertemethode haben alle Teilzeitangestellten mit dem gleichen Teilzeitpensum die gleiche Sollzeit (Jahresarbeitszeit). Das klingt doch nach einer fairen Methode.

    Bei der Zeitmethode haben alle unterschiedliche Sollzeiten, je nach dem, an welchem Tag sie frei haben. Ich z.B. muss in diesem Jahr über 53 h mehr arbeiten als meine Kollegin, die im selben Pensum angestellt ist. Das sind über 2 Wochen mehr und schon im letzten Jahr musste ich 28 h mehr arbeiten als sie, also nochmals über 1 Woche mehr. Man sollte nicht seine eigene Arbeitszeit über die Jahre betrachten, sondern mit den Kolleginnen und Kollegen vergleichen, die im selben Pensum angestellt sind. Also für mich klingt die Zeitmethode nach einer unfairen Methode.

    Ich finde es komisch, dass in diesem Artikel nirgends auf diesen Unterschied bei den beiden Methoden hingewiesen wird. Dafür gibt es ein Gerichtsurteil zur Wertemethode, was den Anschein erweckt, dass dieses Modell vorher völlig unfair gewesen wäre. Natürlich war es auch unfair, vorher, aber der Nachteil war nicht so gross, wie das bei der Zeitmethode der Fall ist.

    Ich habe die letzten 7 Jahre in unserem Unternehmen angeschaut und festgestellt, dass jemand, der immer montags frei hat, im Vergleich zur Wertemethode 170,08 h mehr, jemand der immer mittwochs frei hat 123,88 h mehr und jemand der immer freitags frei hat 86,08 h mehr arbeitet. Also, alle arbeiten mit der Zeitmethode mehr als bei der Wertemethode.

    Warum wurde die Gleichbehandlungsfrage bei der Zeitmethode bis anhin nicht gestellt? Wo sind die Gerichtsurteile darüber?

  2. Dank im Voraus für den auch Laien verständlich geschriebenen Artikel!

    Ich bin Pflegefachfrau auf einer Notfallstation im 7 Tage/ Woche Schichtbetrieb und habe mich hinsichtlich unserer morgen stattfindenden Teamsitzung, wo uns das HR, das von uns kritisierte Fehlzeiten-Management erklären will, über das lineare Zeitabrechnungsmodell informiert.

    Ich habe Planungserfahrung von früher. Damals noch Zeitmethode, zumindest so weit der Arbeitsplan im voraus geschrieben war. Damit konnte ich gut leben.

    Mit der Wertmethode jedoch habe ich permanent den Eindruck beschissen zu werden, was, so wie ich Ihren Artikel deute, keine rechtliche Grundlage hat – und dennoch nicht fair ist!

    1. Das „permanent Beschissen zu werden“ bei der Wertmethode kann aber durchaus zu ihren Gunsten sein, beispielsweise bei Feiertagen, die bei der Zeitmethode auf einen Tag fallen würde, an dem sie nicht arbeiten.

      1. Das kommt je nachdem darauf an, an welchen Tagen gearbeitet wird. Ich arbeite zum Beispiel im 80% Pensum und habe immer am Mittwoch Frei. Über die letzten 5 Jahre habe ich insgesamt eine Woche verloren. Das ist doch nicht fair?!

        1. Wenn Sie immer am gleichen Tag Frei haben, sollten Sie tatsächlich überlegen, das Zeitmodel zu wechseln. In diesem Fall fahren Sie mir der Zeitmethode besser als mit der Wertmethode.

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