Fehleinschätzung der Bedeutung des Einarbeitungsprozesses

Neuen Mitarbeitenden einen guten Einstieg in eine neue Arbeitsstelle zu ermöglichen zahlt sich aus: Sie fühlen sich willkommen, das Arbeitsklima ist harmonischer und eine saubere Einführung verhindert Fehler, die später ausgebügelt werden müssen. Weshalb also, wird diese wichtige Aufgabe oft vernachlässigt?

Jeder von Ihnen hat irgendwann, irgendwo an einem Arbeitsort begonnen, erinnern Sie sich? Kommen Ihnen die nachfolgenden Aussagen auch bekannt vor:

  • Wir haben einen qualifizierten Mitarbeiter eingestellt, damit wir ihm nicht erst erklären müssen, was zu tun ist!
  • learning by doing funktioniert doch immer am besten!
  • Er wird sich schon zurechtfinden!
  • Und der Klassiker: Mir hat das anfänglich auch niemand beigebracht und ich habe es auch gelernt, ins kalte Wasser geworfen zu werden hat noch keinem geschadet!

Oft wird unterschätzt, dass die Qualität der Arbeit unter einer schlechten oder gar keiner Einarbeitung leidet. Mitarbeiter können nur oberflächlich informieren und fühlen sich nicht zuständig oder gar verantwortlich. Fachwissen und Erfahrung des Vorgängers gehen verloren. Die Neuen verbringen oft Tage oder sogar Wochen am Arbeitsplatz ohne wirklich zu wissen, welche Aufgaben wie und wo zu erledigen sind. Logisch, dass in der ersten Zeit die Qualitätsmassstäbe des Teams oder des Arbeitgebers nicht erfüllt werden können. Dabei wäre die erste Zeit im Unternehmen die wichtigste, hier entscheidet sich, ob sich der neue Mitarbeiter gut einpasst, gute Leistung mit neuen Ideen einbringt und sich mit dem Arbeitgeber identifizieren kann. Der erste Eindruck ist auch hier von Bedeutung.

Die Zeit und das Geld, welche der Arbeitgeber durch den Verzicht auf eine gute Einarbeitung mit einer zeitliche Doppelbesetzung spart, muss für die Berichtigung der Fehler neuer Mitarbeiter verwendet werden. Oft ist das kein Nullsummenspiel, sondern geht negativ – zu Lasten des Arbeitgebers – aus. So gelesen in Bezug auf einen Budget-Kommentar: «Der Personalaufwand reduziert sich um xy Franken wegen der Anpassung der Fluktuationsprognose sowie der zeitlichen Verschiebungen von Wiederbesetzungen.» Diese Horrorszenarien sind «Gang und Gäb» und offensichtlich das Resultat von Sparübungen und/oder fehlenden zeitlichen Kapazitäten:

  • Mitarbeiter werden kaum bis gar nicht informiert über den Neuzugang.
  • Für die Begrüssung hat niemand wirklich Zeit.
  • Ein Kennenlernen des Arbeitsumfeldes findet nicht statt.
  • Im schlimmsten Fall wird nicht einmal der Arbeitsplatz vorbereitet und eine systematische Einarbeitung ist nicht vorhanden.
  • Auf eine laufende Betreuung des neuen Mitarbeiters wird keinen Wert gelegt.

Die Folge: Flucht nach vorne

Ein Misslingen der Beziehung zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiter ist in solchen Fällen vorprogrammiert. Nicht ohne Grund wechseln viele neue Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz im ersten Jahr der Anstellung erneut. Dies ist unvertretbar – auch in wirtschaftlicher Hinsicht, denn Mitarbeiter sind eine teure Investition.

Qualifizierte Fachkräfte nutzen die kurze Kündigungsfrist der Probezeit denn oft dazu, sich nach einem neuen Arbeitgeber umzusehen – eine Flucht nach vorne. Die bestehenden Mitarbeiter und Teams leiden darunter, denn erstens müssen sie die Fehler ausgleichen und zweitens sind eine schlechte Arbeitsatmosphäre sowie eine hohe Mitarbeiterfluktuation keine motivationssteigernden Arbeitsbedingungen.

Bedenkt man, mit welcher Aufmerksamkeit eine grössere Investition – etwa ein IT-System -, vorbereitet wird, verwundert es, dass so wenig für die Einarbeitung neuer Mitarbeiter getan wird.

Deshalb meine Frage an die Politik: Ist es die Einsparung wert,

  • den Imageverlust des öffentlichen Personals bewusst in Kauf zu nehmen durch Sparmassnahmen?
  • nicht mehr als attraktiver Arbeitgeber zu gelten?
  • nicht mehr konkurrenzfähig zu sein auf dem Arbeitsmarkt?
  • nicht mehr über qualifizierte Bewerber im Auswahlverfahren zu verfügen?

Im öffentlichen Dienst ist die Politik in der Pflicht. An dieser Stelle erwarten wir von den Räten, dass sie die Verantwortung als EntscheidungsträgerIn und gleichzeitig als «ArbeitgeberIn» wahrnehmen!

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