Vollzeit bis zum ersten Kind (oder Mann)

Viele Frauen arbeiten weniger als 90 Prozent – und handeln sich damit Karrierenachteile ein

Es gibt weitere Evidenz für die unterschiedlichen Auswirkungen von Kindern auf die Erwerbsbeteiligung von Frauen und Männern. Wir sehen, dass der Beschäftigungsgrad der Frauen regelrecht einbricht, sobald ein Kind unter 2 Jahren im Haushalt wohnt (Diagramm 2). Gleichzeitig steigt der Beschäftigungsgrad der Männer dann sogar an! Mit steigendem Alter des jüngsten Kindes hebt sich auch der durchschnittliche Beschäftigungsgrad der Frauen wieder, aber nur sehr langsam. Dies deutet darauf hin, dass die Reintegration nach einem Erwerbsunterbruch oder nach einer starken Reduktion des Erwerbspensums nur schleppend verläuft. Auch der Vergleich mit dem Ausland deutet darauf hin, dass die Rückkehr in den Arbeitsmarkt für junge Schweizer Mütter besonders harzig ist. Während kein anderes Land in Europa einen höheren Anteil erwerbstätiger Frauen ohne Kinder hat, rutscht die Schweiz auf Platz 11 ab, wenn Frauen mit Kindern unter 6 Jahren verglichen werden – und sogar auf Platz 13 bei Frauen mit Kindern zwischen 6 und 11 Jahren.

Eine freie Entscheidung?

Wer hindert die jungen Mütter am Wiedereinstieg und an höheren Pensen? Die Gründe sind vielschichtig. Traditionelle Rollenbilder sind mit Sicherheit ein wichtiger Grund für den Rückzug. Solange Frauen im Durchschnitt weniger verdienen als Männer, ist eine solche Entscheidung zudem allzu häufig auch rational. Ein weiterer Punkt ist das Fehlen von Kinderbetreuungsangeboten. Schweizer Familien werden im internationalen Vergleich überproportional stark durch Ausgaben für die familienergänzende Kinderbetreuung belastet. Die öffentliche Hand hält sich stark zurück.

Teilzeitarbeit ist selbstverständlich nicht per se schlecht. Aber sie sollte eine freiwillige Entscheidung sein. Und damit echte Wahlmöglichkeiten bestehen, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein. So gilt es Bedingungen zu schaffen, die es auch Vollzeitarbeitenden erlauben, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Das fordert die Arbeitgeber ebenso wie die öffentliche Hand. Weiter muss die Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten beseitigt oder wenigstens abgeschwächt werden, auch bei den Sozialversicherungen. Es sollte nicht nur in den unteren Hierarchiestufen Teilzeitangebote geben, sondern auch «oben». Und zwar für Frauen und Männer. Der dritte Punkt sind die klassischen Rollenvorstellungen, was Haushalt- und Betreuungsaufgaben angeht. Auch hier müssen die Verhältnisse ausgeglichener werden. Will heissen: Männer dürfen nicht länger davon ausgehen, dass ein Wesen im Hintergrund ihre Socken wäscht und das Bad putzt. Und Frauen müssen sich bei der Aushandlung partnerschaftlicher Pflichtenhefte auf die Hinterbeine stellen. 

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