Vollzeit bis zum ersten Kind (oder Mann)

Viele Frauen arbeiten weniger als 90 Prozent – und handeln sich damit Karrierenachteile ein

Dieser Wert sinkt nun noch einmal deutlich – nämlich auf 2,8 Prozentpunkte, also beinahe auf die Hälfte –, wenn man zusätzlich den Einfluss des Beschäftigungsgrads kontrolliert. Von der ursprünglich festgestellten Untervertretung der Frauen auf der Geschäftsleitungsetage kann demnach ein Drittel durch den Beschäftigungsgrad erklärt werden. Dies zeigt, dass Teilzeitarbeit ein nicht zu unterschätzendes Karrierehindernis ist, unter dem besonders Frauen leiden, da sie viel häufiger Teilzeit arbeiten als Männer. Zwei Dinge sind speziell auffällig. Zum einen setzt der negative Effekt der Teilzeitarbeit bereits bei «leichter» Teilzeit (Pensen im Umfang von 70 bis 89 Prozent) ein. Schon dann reduziert sich die Wahrscheinlichkeit, Mitglied der Geschäftsleitung zu sein, drastisch (um 4,8 Prozentpunkte). Noch kleinere Pensen senken diese Chance zwar weiter, aber der stärkste Effekt tritt gleich zu Beginn auf, beim Wechsel von einer Vollzeitstelle auf ein (hohes) Teilzeitpensum.

Männer noch stärker «bestraft»

Zweitens zeigt sich, dass Teilzeitarbeit für beide Geschlechter eine Karrierebremse darstellt, indem sie die Wahrscheinlichkeit, in einer Geschäftsleitung zu sitzen, drastisch reduziert. Bei Männern ist dieser Effekt sogar noch ausgeprägter als bei Frauen, jedenfalls bei hochprozentiger Teilzeitarbeit. Das Pensum zwischen 70 und 89 Prozent bewirkt bei den Frauen eine um 3,4 Prozentpunkte geringere Geschäftsleitungs-Wahrscheinlichkeit, bei den Männern sackt diese gleich um 7 Prozentpunkte ab. Bei den kleineren Pensen ist dieser Geschlechterunterschied kaum mehr sichtbar, und bei den ganz kleinen sind die Fallzahlen der Männer für eine vernünftige Schätzung ohnehin zu gering.

Was Frauen wirklich wollen

Kann aus diesem Befund wirklich abgeleitet werden, dass Teilzeitarbeit karrierehemmend wirkt? Man könnte einwenden, dass die Teilzeitarbeitenden vielleicht nicht «zufällig» keine Vollzeitstelle innehaben. Sondern dass sie reduziert tätig sind, weil sie weniger an Karriere interessiert sind, weil sie weniger nach Verantwortung streben oder weil sie ausserberufliche Tätigkeiten höher gewichten als die Vergleichsgruppe «Vollzeit». Dann wäre die Teilzeitbeschäftigung gar nicht der Grund für die fehlende Führungsverantwortung, sondern wie diese die Folge der persönlichen oder charakterlichen Disposition. Letztere lässt sich nicht so einfach erheben – bloss mittelbar. Man kann zum Beispiel schauen, wie sich die obigen Wahrscheinlichkeiten verschieben, wenn zusätzlich noch der Familiensituation Rechnung getragen wird. Denn das Vorhandensein von Kindern im Haushalt verschiebt eventuell die Prioritäten: weg vom beruflichen Erfolg und hin zur Familie. Möglicherweise ist diese Prioritätenverschiebung für Männer und Frauen unterschiedlich. Doch am beschriebenen Karriererückstand ändert die Familiensituation kaum etwas. Das Vorhandensein von Kindern (und somit die mutmasslich stärkere Präferenz für ausserberufliches Engagement) kann die geringere Vertretung von Frauen in Leitungspositionen nicht erklären. Die Erklärungskraft der Teilzeitarbeit bleibt unverändert gross.

Zwar haben Kinder keinen direkten Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit, eine Leitungsposition innezuhaben. Dafür aber einen indirekten. Und zwar, weil sie Frauen und Männer in sehr unterschiedlichem Mass zu Teilzeitarbeit bewegen. So nennen teilzeitarbeitende Frauen viel häufiger als teilzeitarbeitende Männer die Betreuung von Kindern als Begründung für das reduzierte Pensum. Und auch statistisch lässt sich aufzeigen, dass das Vorhandensein von Nachwuchs die weibliche «Beschäftigungslücke» zu grossen Teilen erklärt. Die Rechnung geht so: Männer weisen im Durchschnitt einen Beschäftigungsgrad von 85, Frauen einen von 53 Prozent auf. Differenz: 32 Prozentpunkte. Der Einbezug von Alter, Nationalität und Ausbildung reduziert den Unterschied nur minimal (auf 31 Prozentpunkte). Nimmt man zusätzlich die Branchencharakteristika ins Modell auf, fallen nochmals 5 Prozentpunkte des Unterschieds weg.

Den grössten Beitrag zur Erklärung der Differenz leistet indes die Haushaltgrösse (Diagramm 1). Vergleicht man Frauen in Einpersonenhaushalten mit dem Total der Männer, reduziert sich die unerklärliche Differenz im Beschäftigungsgrad auf gerade noch 7,8 Prozentpunkte. Mehr als die Hälfte der ursprünglichen Differenz lässt sich also durch das Vorhandensein weiterer Haushaltsmitglieder «erklären». Deren Präsenz wirkt sich auf Männer und Frauen tatsächlich höchst unterschiedlich aus. Das lässt sich belegen, wenn man nur gleich alte und gleich gut ausgebildete Personen vergleicht, welche dieselbe Nationalität haben und in derselben Branche arbeiten. Dabei zeigt sich, dass der Beschäftigungsgrad von Männern durch die Anwesenheit weiterer Haushaltsmitglieder nicht oder sogar positiv beeinflusst wird. Männer in Einpersonenhaushalten weisen einen (bereinigten) Beschäftigungsgrad von 87 Prozent auf, Männer in Fünfpersonenhaushalten einen von 90 Prozent.

Partner und andere Kinder

Ein gänzlich anderes Bild zeigt sich bei den Frauen. Deren Beschäftigung sinkt von 85 Prozent im Einpersonenhaushalt auf 45 Prozent im Fünfpersonenhaushalt. Interessant ist die erste Etappe: Schon im Zweipersonenhaushalt liegt der Beschäftigungsgrad von Frauen nur noch bei 78 Prozent. Die zweite Person im Haushalt ist aber in vielen Fällen kein Kind, sondern der Partner. Bös formuliert: Frauen reduzieren ihren Beschäftigungsgrad also bereits vor dem ersten Kind, um ihren Männern die Schuhe zu putzen, die Unterhosen zu waschen und das Wohnzimmer staubzusaugen. Das Sinken des Beschäftigungsgrades der Frauen ist im Übrigen nicht primär auf einen Totalausstieg einzelner aus dem Arbeitsmarkt zurückzuführen.

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