Arbeitsmarktfähigkeit erhalten

Arbeitnehmende 50plus

Individuelle Arbeitszeitmodelle

Im Hinblick auf den drohenden Fachkräftemangel ist es entscheidend, Mitarbeitende lange im Erwerbsleben halten zu können. Die Förderung der Weiterbildung ist eine Massnahme. Eine weitere Handlungsoption ist, Mitarbeitenden mehr Zeitautonomie zuzugestehen indem sie die Möglichkeit haben, ein Arbeitszeitmodell zu wählen, das ihren Bedürfnissen – und dazu gehört auch die Weiterbildung – entspricht. Damit ist nicht nur die Weiterbildung gemeint, sondern sind insgesamt altersadäquate Entfaltungsmöglichkeiten von Bedeutung, um die «Arbeitsmarktfähigkeit» des älteren Mitarbeitenden – diesmal aus der Sicht des Arbeitgebers – zu erhalten.

Wer einen Mitarbeitenden, der ihm wichtig ist und den er sehr gerne über die Pensionierung hinaus behalten würde, überzeugen will, zumindest teilweise weiterzuarbeiten, muss bereits einige Jahre vor der Pensionierung Zeitmodelle anbieten, die auch das Bedürfnis nach mehr Privatleben ermöglichen.
Das erfordert Flexibilität. Die Möglichkeit, das Arbeitspensum um 10, 20 % oder mehr zu reduzieren oder die Vereinbarung (zum Beispiel) einer Jahresarbeitszeit, welche mehr Ferientage beinhaltet, sind praktikable Lösungsansätze.

Die Vorteile für den Arbeitnehmer liegen auf der Hand. Die Arbeitgeber profitieren von solchen Regelungen, in dem sie länger auf engagierte Mitarbeitende zählen können, die über einen reichen Erfahrungsschatz verfügen.

Die Freizeit kann und soll privat genutzt werden, es ist aber auch erlaubt, hier eine Weiterbildung anzugehen, die nun gar nichts mit dem Erwerbsleben zu tun hat. Dass die Weiterbildung dabei für den Arbeitgeber letztlich doch von Nutzen ist, kann auch nicht ausgeschlossen werden.

Handlungsbedarf

Für ältere Arbeitnehmende sieht die Realität manchmal anders aus. Statt einer gezielten Förderung werden sie Sparbemühungen geopfert und durch jüngere (günstigere) Fachkräfte ersetzt. Auch wenn diese fachlich zwar durchaus gut qualifiziert sind, lässt sich über 20 Jahre Berufserfahrung nicht so einfach wettmachen. Dass dieses Vorgehen gegenüber älteren – oft auch langjährigen – Mitarbeitenden nicht fair ist, liegt auf der Hand.

Beliebt sind «Reorganisationen» auf dem Papier. Es wird behauptet, eine Abteilung sei neu zu strukturieren, die Funktion des älteren Mitarbeitenden gebe es leider nicht mehr. Selbst wenn daran Zweifel bestehen und die Kündigung letztlich als unsachlich qualifiziert wird, bleibt bloss die Pönale (Entschädigung), nicht der Arbeitsplatz. Ein solcher Abschied aus dem Erwerbsleben hinterlässt Spuren – beim Mitarbeitenden in erster Linie, aber auch, und dies wird häufig unterschätzt, bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die im Betrieb des Arbeitgebers zurückbleiben. Es ist nicht so schwierig, sich vorzustellen, wie derselbe Arbeitgeber 10 Jahre später handelt, wenn man selbst in ein Alter gekommen ist, dass für diesen Arbeitgeber scheinbar nicht mehr so attraktiv ist. Schaden tragen deshalb alle Beteiligten davon.

Um solche Situationen zu analysieren, zu vermeiden und Handlungsmöglichkeiten für einen besseren Erhalt der Arbeitsmarktfähigkeit zu definieren, treffen sich jährlich Interessenvertreter der Arbeitnehmenden und Vertreter des Bundes, der Kantone und der Gemeinden zu einer nationalen Konferenz. An der diesjährigen Tagung wurde der Fokus auf langfristig stellensuchende Personen über 50 Jahren gelegt. Die beteiligten Akteure waren sich einig, dass Massnahmen gefunden werden müssen, welche die Arbeitsmarktattraktivität von älteren Arbeitnehmern erhöhen und somit eine drohende Aussteuerung von älteren Menschen nach Langzeitarbeitslosigkeit verhindern.

Die Verantwortlichen waren sich überdies einig, dass die frühzeitige Berufs- und Laufbahnberatung für Erwachsene sowie regelmässige Standortbestimmungen zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden, um gemeinsam Weiterbildungen zu planen, wichtige Instrumente sind. Der Analyse müssen nun allerdings noch Taten folgen. Die Erkenntnis, dass Weiterbildungen etwas mit Arbeitsmarktfähigkeit zu tun haben, liegt nahe. Das Defizit liegt in der Umsetzung – und zwar auf beiden Seiten.

Arbeitgeber müssen erkennen, dass sie in ihre Mitarbeitenden investieren sollen – sie schaffen so für jeden einzelnen Arbeitnehmenden aber auch für sich selbst einen Wettbewerbsvorteil. Und sie müssen auch bereit sein, die finanziellen Mittel bereitzustellen und Zeit zu Verfügung zu stellen. An beiden besteht Mangel. Arbeitnehmende ihrerseits müssen bereit sein, Wagnisse einzugehen, Einschränkungen in Kauf zu nehmen, Neues an Hand zu nehmen – und all dies ist oft damit verbunden, sich von Routinen zu verabschieden, und sei es nur für eine gewisse Zeit.

Der Entscheid, welche Weiterbildung Sinn macht, ist nicht immer einfach; manchmal fehlt es auch schlicht an der Fantasie, sich vorzustellen, in welchem Bereich man sich weiterentwickeln kann. Hier können Fachleute weiterhelfen, weshalb zur Diskussion steht, dass die Kantone Angebote für die Laufbahnberatung Erwachsener zur Verfügung stellen.

Wie weiter?

Dass Handlungsbedarf besteht belegen auch die Zahlen: Die Lage auf dem Arbeitsmarkt hat sich zwar entspannt, bei den über 55-Jährigen jedoch unterdurchschnittlich. Parallel zu der Zunahme der älteren Personen in der Arbeitslosenversicherung, steigt auch die Zahl der Personen über 55 Jahren, die auf Sozialhilfe angewiesen sind. Die finanziellen und sozialen Auswirkungen sind gravierend und für Betroffene ist es ausserordentlich schwierig, sich aus dieser Situation heraus wieder ins Erwerbsleben integrieren zu können.

Erfreulich ist auf der anderen Seite, dass die Zahl der Beschäftigten über 55 in den letzten Jahren im Grundsatz leicht zugenommen hat. Dies soll so bleiben und sich in der gleichen Richtung weiterentwickeln. Das bedingt Anstrengungen von allen Seiten, insbesondere aber von den Arbeitgebern und den Mitarbeitenden selbst.

  • Arbeitnehmende müssen zu einem lebenslangen Lernen bereit sein und sich mit ihren beruflichen Weiterbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten frühzeitig auseinandersetzen.
  • Arbeitgeber müssen ihre Personalpolitik so anpassen, dass sie die Förderung ihrer Mitarbeitenden nicht als Last, sondern als Chance sehen.

Das hilft dann allen. Glückliche Arbeitgeber, glückliche Mitarbeitende, entschärfter Fachkräftemangel, das sind idealerweise die Folgen eines dringend notwendigen Umdenkens im Bereich «Weiterbildung».

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