Abstimmungskampf im Baselbiet – Kündigung der Staatsangestellten analog OR

Das OR stellt in diesem Rahmen das rechtlich zulässige Minimum dar. Abweichende Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers wie Regelungen im Arbeitsvertrag oder in einem GAV sind aber weitgehend zugelassen.
Für Staatsangestellte beim Bund, in den Kantonen oder den Gemeinden kommt das zivilrechtliche OR nicht zur Anwendung. Für diese Angestelltengruppen gilt das (jeweils anwendbare) öffentliche Personalrecht. Im Rahmen dieser Personalgesetze kann jedoch das OR als indirekt anwendbar erklärt werden, so wie die vorliegende Initiative der Wirtschaftskammer dies möchte. Ein Verweis auf das OR ist jedoch nur möglich, insofern übergeordnete, zwingende Erlasse nicht tangiert werden.

Die Bundesverfassung der schweizerischen Eidgenossenschaft und auch die meisten kantonalen Verfassungen haben aber spezielle Grundprinzipien statuiert, welche direkt für die Staatsangestellten und ihre Arbeitsverträge gelten. Sie gehen den Regelungen des OR in jedem Falle vor.

Es sind dies die Rechtsgleichheit (namentlich Diskriminierungsverbot und Gleichstellung von Mann und Frau), Schutz vor Willkür, Schutz von Treu und Glauben, Koalitionsfreiheit (darunter fällt auch das Streikrecht), Verfahrensgarantien (wie das rechtliche Gehör) und das Recht auf ein gerichtliches Verfahren. Diese Grundsätze müssen bei Kündigungen von Staatsangestellten immer und ausnahmslos beachtet werden, auch wenn das Personalrecht auf das OR verweist.

Kündigung analog OR – ein Eigentor

Könnten Sie eine geplante Entlassung analog OR korrekt vornehmen oder benötigen Sie die Hilfe eines Juristen? Würde Ihre Entlassung eines Staatsangestellten gerichtlichen Verfahren standhalten? Würden Sie vielleicht wegen dieser Schwierigkeit von einer Kündigung absehen? Um den verfassungsmässigen Anforderungen zu begegnen, hat das öffentliche Recht obengenannte Liste mit möglichen, wesentlichen Kündigungsgründen erarbeitet, welches eine «einfache» Kündigung für Staatsangestellte ermöglicht und trotzdem den Prinzipien der Bundesverfassung entspricht. Genau diese schlanke Regelung möchte die Initiative «für einen effizienten und flexiblen Staatsapparat» aber abschaffen. Flexibel und effizient? Mitnichten. Die Initiative zur Kündigung analog OR bringt dem Kanton als Arbeitgeber eine erhebliche Unsicherheit, ob eine Kündigung im Einzelfall den gesetzlichen Vorgaben standhält. Jede Entlassung wird noch vor ausgesprochener Kündigung zum Juristenfutter, möchte sich doch jeder Vorgesetzte absichern, um nicht in ein gerichtliches und öffentliches Verfahren hineingezogen zu werden. Und das kostet den Kanton zusätzliche Ressourcen und Geld, welches er nicht hat und welches er nicht ausgeben möchte.

Mit Annahme der Initiative «für einen effizienten und flexiblen Staatsapparat» würden Kantonsangestellte vielleicht tatsächlich «faktisch unkündbar». Ein Schildbürgerstreich!

Staatsangestellte benötigen besonderen Schutz

Der bürgerlich dominierte Landrat hat über die Initiative bereits ausführlich beraten und ist zum Schluss gelangt, dass die Kündigung analog OR kontraproduktiv und dass eine weitere Lockerung des Kündigungsrechtes den Staatsangestellten nicht zuzumuten ist. Er hat erkannt, dass gerade die Staatsdiener einen besonderen Schutz benötigen. Leute wie Polizisten, Lehrer, Steuerbeamte oder Angestellte des Bauamtes sind täglich grossem Druck ausgesetzt und müssen unpopuläre Entscheide treffen und durchsetzen. Deswegen benötigen sie bei einer Entlassung zumindest eine vertiefte, obligatorische Begründungspflicht des Arbeitgebers sowie die Möglichkeit, sich zu den Vorwürfen und Umständen äussern zu können. Das OR verlangt aber keine Anhörung des Entlassenen. Gerade die Steuerzahler haben aber ein vitales Interesse, dass der Staat verlässlich funktioniert; ein Kündigungsrecht nach OR würde einen Staatsangestellten indes verwundbar machen. Sein Interesse wird nicht mehr sein, ein richtiges, gesetzmässiges Anliegen durchzusetzen, sondern möglichst keine Reibung zu erzeugen. Nur, wem nützt ein solcher Staatsangestellter?

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