Aufkreuzen im Kopf

Wanderwegnetz im Kopf

Auf Ebene der Zellen führen intensive Trainings- und Lernprozesse – sei es Golf spielen, unseren Englischwortschatz aufbessern oder regelmässig mathematische Probleme wälzen – zu Veränderungen der Signalübertragung, also der Kommunikation zwischen den Neuronen, und somit zu Veränderungen der neuronalen Netzwerke. Beim fleissigen Üben werden Verbindungen zwischen Nervenzellen in unserem Hirn ausgebaut oder neu geschaffen – Verbindungen, die dagegen wenig oder gar nicht gebraucht werden, verkümmern allmählich.

«Das ist ähnlich wie bei einem Wanderwegnetz», sagt Susan Mérillat, «die Wege, die von vielen Wanderern genutzt werden, sind breit und gut ausgebaut, diejenigen aber, die nur selten oder gar nicht begangen werden, sind schmal und zunehmend von Gras überwachsen.» Anders gesagt: Auf den durch körperliches und geistiges Training gut ausgebauten Kommunikationsrouten in unserem Kopf herrscht ein reger Datenverkehr – Informationen werden vergleichsweise schnell und in grosser Zahl übermittelt und ausgetauscht. Dies steigert unsere Fähigkeiten. Und so macht stete Übung vielleicht noch keine Meisterin und keinen Meister, aber sie lässt unser Hirn wachsen und führt zu deutlichen Lernfortschritten.

Doch auch das richtige Üben will gelernt sein. «Viele lernen nicht sehr effizient», sagt Susan Mérillat. Zwar ist es wichtig, dass wir einen Lernstoff oft wiederholen. Sture Repetition bringt aber wenig. Denn unser Gehirn mag es gerne bunt und liebt es, wenn es vielseitig stimuliert wird. «Erfolgreich lernen bedeutet, unterschiedliche Hirnareale miteinander zu verknüpfen», sagt auch Nora Raschle. Ideal ist deshalb, wenn wir uns möglichst vielfältig mit Lerninhalten beschäftigen.

Wollen wir uns beispielsweise biologisches Wissen dazu aneignen, wie Zellen funktionieren, lesen wir vielleicht zuerst einen Text dazu, zeichnen danach eine detaillierte Skizze oder machen eine Mindmap, suchen nach sprachlichen Vergleichen, Analogien und Bildern – etwa eine Zelle ist aufgebaut wie eine Fabrik oder wie eine Stadt – und diskutieren das Gelernte mit anderen. Durch diese vielseitige Auseinandersetzung mit einem Thema wird das Wissen nachhaltiger im Informationsnetzwerk in unserem Kopf abgespeichert. «Es ist weniger wirksam, wenn man nur auf die Art lernt, die einem am besten zu liegen scheint», betont Neuropsychologin Raschle, «pflegen wir unterschiedliche Lernstile, erhöht das den Lernerfolg.»

Gedankenschlösser bauen

Unterschiedliche neuronale Netzwerke sind auch an unserem Gedächtnis beteiligt, das als Informations- und Wissensspeicher für das Lernen zentral ist. Die Kognitionspsychologin Lea Bartsch erforscht an der UZH unter anderem, wie bestimmte Lerntechniken das Erinnerungsvermögen bei Menschen aus verschiedenen Altersgruppen positiv beeinflussen können. Eine dieser Gedächtnisstrategien ist die Loci-Methode, die bereits Redner im antiken Griechenland vor über zweitausend Jahren erfolgreich anwendeten. Und zwar so: Stellen Sie sich vor dem geistigen Auge ein Haus oder vielleicht auch ihre eigene Wohnung vor und legen Sie in verschiedenen Zimmern an ganz unterschiedlichen Orten Wörter, Begriffe, Zahlen, Bilder ab, die Sie sich merken wollen. Bei einem späteren Gang durch diese mentalen Räume lassen sich die deponierten Gedächtnisinhalte dann einfacher wiederfinden und abrufen. Die Methode gehört zu den Erfolgsrezepten von Gedächtnissportlern, die sich zuweilen ganze Gedankenschlösser bauen, in deren Gemächern sie riesige Datenmengen aufbewahren und verfügbar halten können.

Der Bau solcher Gedankenschlösser ist aufwendig und deshalb wohl nur bedingt alltagstauglich. Eine einfachere Methode ist, sich Wörter zu merken, indem man sie zu Sätzen verknüpft. Aus Pony, Zahn, Kaffee und Fussball wird dann zum Beispiel: «Das Pony mit dem grossen Zahn spielt nach dem Kaffee Fussball.» Dieser Satz mag vielleicht nicht besonders sinnvoll sein, dafür ist er originell und verknüpft die Begriffe, die man speichern will, und hält diese so besser in Erinnerung.

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