Die Spitäler müssen Betten schliessen, weil sie kein Personal mehr finden. Die Kantone müssen nicht ausgebildete Lehrpersonen verpflichten, weil sie kein Personal mehr finden. Die offenen Stellen bewegen sich im 6-stelligen Bereich. Man sah das zwar kommen, hat aber kein Gegenmittel gefunden. Vielleicht liegt es ja auch an den alljährlichen Sparrunden der Parlamente? Es ist Zeit, dies zu ändern.
Anreizsysteme für mehr Attraktivität des öffentlichen Arbeitgebers gibt es zahlreiche. Die Aufgaben, die erfüllt werden, sind gut, in der Regel hochwertig. Die Mitarbeitenden arbeiten gerne für den Staat, das ist hier nicht die Frage. Die Lohnrunde fokussiert auf die Entschädigung. Die Entschädigung hat etwas mit Fairness zu tun, und sie ist nicht der einzige, aber ein Bestandteil auf dem Weg zu guten und motivierten Mitarbeitenden.
Die simplifizierende Differenzierung zwischen «Lohnerhöhung Ja» oder «Lohnerhöhung Nein» muss aufgegeben werden. Sie sagt nicht genug aus. Von einer Lohnerhöhung kann nur gesprochen werden, wenn man für die geleistete Arbeit wertmässig mehr bekommt. Reallohnerhöhung ist hier der Begriff. Die Teuerung gleicht aus, was die Inflation an Wert genommen hat. Beträgt die Inflation 2%, dann ist die nominelle Anhebung des Lohns keine Lohnerhöhung. Es wird nur die bisherige Regelung wertmässig weitergeführt.
Kein Schulterklopfen
Es kann sich also kein Arbeitgeber auf die Schulter klopfen, wenn er dem Personal die Teuerung ausgleicht. Der Mitarbeitende oder die Mitarbeitende verdient dann nämlich genau gleich viel wie zuvor. Und das nicht einmal ganz: Die Teuerung wird erst am Ende des Jahres ermittelt und für das Folgejahr ausgeglichen. Damit hat man die Teuerung tatsächlich für ein Jahr kreditiert, ausgeglichen wird dieses Jahr logischerweise nie.
250 000 offene Stellen im ersten Quartal 2022, das ist die schweizerische Bilanz gemäss Zürcher Jobradar. Eine erfreuliche Ursache dieser Situation ist: Es gibt viel zu tun. Aber die Arbeitskräfte fehlen. Das wird nicht besser, sondern schlimmer. In den nächsten 10 Jahren werden die geburtenstarken Jahrgänge pensioniert, das sind 1 Million Mitarbeitende. Es rücken die geburtenschwachen Jahrgänge nach, das sind nicht einmal halb so viele.
Will sich die öffentliche Verwaltung richtig positionieren, und daran haben die Mitarbeitenden ebenfalls ein Interesse, dann müssen die Anstellungsbedingungen stimmen. Zu den Anstellungsbedingungen gehört auch der Lohn. Wer jetzt noch darüber diskutiert, wie viel Prozent der Teuerung er auszugleichen beabsichtigt, hat etwas grundsätzlich nicht verstanden. Die Teuerung ist Werterhaltung und ist auszugleichen. Die Situation auf dem Arbeitsmarkt muss dazu führen, dass Reallohnerhöhungen angeboten werden – und zwar für alle.
Das Wichtigste in Kürze
- Zur Teuerung: Zurzeit sprechen wir von einer Teuerung von durchschnittlich 3% per Mai/Juni 2022. Folgt man den Ausführungen der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich, hat die Inflationsdynamik deutlich an Fahrt gewonnen; sie beträgt im Euroraum 7,5%; dagegen sind die bisherigen 3% in der Schweiz bescheiden. Wie sich dies weiterentwickelt, ist schwierig zu prognostizieren. Aus diesen Zahlen müssen wir mitnehmen, dass der Teuerungsausgleich für das Jahr 2023 mindestens bei 3% angesetzt werden muss; diese Zahl berücksichtigt den per Mai/Juni ermittelten durchschnittlichen Wert, verbunden mit der (schwierigen und deshalb unsicheren) Prognose, dass sich die Teuerung nicht weiter verschärfen wird. Wurde die Teuerung im Jahr 2021 für das Jahr 2022 im Umfang von 6 % nicht ausgeglichen, ist dieser Betrag zu addieren, was dann 3,6% ergibt.
- Zur Reallohnerhöhung: Der Ausgleich der Teuerung ist kein Argument gegen eine Reallohnerhöhung. Diese beiden Zahlen sind streng auseinanderzuhalten. Die Nachfragesituation auf dem Arbeitsmarkt für Fachkräfte schärft den Konkurrenzdruck der Arbeitgeber. Die öffentliche Hand ist nicht frei, ihre gesetzlichen Aufgaben zu erfüllen oder nicht. Sie muss die Mitarbeitenden rekrutieren können. Die öffentliche Hand beschäftigt in der Hauptsache Fachkräfte. Wir sind der Überzeugung, dass eine Erhöhung von 2% die Konkurrenzsituation zum Marktlohn vorsichtig interpretiert und eine nachvollziehbare Forderung ist.
Ausgleich der Teuerung und Reallohnerhöhung unter dem Jahr 2022 sind im Auge zu behalten und zu berücksichtigen.
Empfehlung: Gehen Sie mit einem Teuerungsausgleich von 3% und einer Reallohnerhöhung von 2%, also insgesamt 5%, an den Start und überschreiten Sie die Ziellinie mit denselben Zahlen.
Die bisherigen Mitarbeitenden werden benachteiligt
Dafür gibt es einen guten Grund: Sucht der öffentliche Arbeitgeber neues Personal, wird er es nur bekommen, wenn er einen guten Anfangslohn bietet. Reiht er den neuen Mitarbeiter oder die neue Mitarbeiterin regelhaft in das Lohnband ein, wird er den Bewerber oder die Bewerberin zurzeit wohl nicht verpflichten können. Der öffentliche Arbeitgeber wird sein Ermessen bei der Bestimmung des Anfangslohns zugunsten der Neueintretenden nutzen und diese höher einreihen. Damit werden alle bisherigen Mitarbeitenden benachteiligt und dabei auch ausgerechnet diejenigen, die während den letzten Jahren treu waren.
Die Konsequenzen aus diesem Mechanismus sind gravierend. Der Mitarbeitende, der sieht, dass sein neu eintretender Kollege mehr verdient als er selbst, trotz gleicher Qualifikation und gleicher Stellung, der wird nicht zufrieden sein. Er wird erkennen, dass ein Stellenwechsel hin zu einem neuen Arbeitgeber in aller Regel mit mehr Lohn verbunden ist. Wieso will man diesen Kreislauf in Gang setzen? Und wieso will man die Mitarbeitenden, die sich dem öffentlichen Arbeitgeber in überdurchschnittlichem Ausmass verpflichtet fühlen, bestrafen?
Nicht nur Geld, auch Flexibilitäten und Weiterbildung
Parallel zur Entschädigung wird man sich anderes überlegen müssen, um die Attraktivität des Arbeitsplatzes zu schärfen. Lohnnebenleistungen, kürzere Arbeitszeiten, andere Arbeitszeitmodelle, Teilzeitarbeit, Arbeitsort und andere Flexibilisierungen sind anzubieten.
Man darf sich auch die Frage stellen, ob man nach ausgebildeten Mitarbeitenden sucht oder ob es beim bestehenden Fachkräftemangel nicht besser ist, die Mitarbeitenden selbst auszubilden. Hier ist auf Solidarität zu setzen. Solidarität meint, dass man eben damit rechnen muss, dass Mitarbeitende ihren Job wechseln, man bekommt von anderen öffentlichen Arbeitgebern, was man auch selbst gibt – das hat zur Konsequenz, dass Aus- und Weiterbildungen nicht durch scharfe Rückzahlungsklauseln verhindert werden dürfen.
Nun zu den Zahlen: Die Lohnrunde 2023 kann nicht ohne Berücksichtigung der beiden vorangegangenen Lohnrunden 2021 und 2022 erfolgen. Wirtschaftsentwicklung und Teuerung waren nicht immer so wie prognostiziert, was Auswirkungen auf die Lohnrunde 2023 haben wird.
Gibt es einen triftigen Grund, dass alleine die Arbeitgeber für die nicht in unserem Lande verursachte Teuerung aufkommen müssen?
Weshalb soll der Steuerzahler für unrealistische Lohnforderungen für das öffentliche Personal aufkommen und damit zusätzlich an Kaufkraft verlieren?
Hoffentlich lesen unsere St. Galler Regierung diesen Artikel. Beispiel, in den letzten 12 Jahren gab es 1x 0.8% Teuerungsausgleich. In der letzten 12 Jahren wurde in der Schweiz im Durchschnitt 0.8% mehr bezahlt, wohlverstanden pro Jahr. Also liebe Regierung ich würde mal was gescheites unternehmen bevor alle guten Arbeiter weg sind… das ist übrigens euer Kapital