Die unvorstellbare und furchtbare Situation im Kriegsgebiet Ukraine dauert nun bereits mehrere Monate an. Nach Schätzung des Staatssekretariates für Migration, SEM, sind bis Anfang Juni 2022 mehr als 7 Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen. Viele von ihnen konnten sich in die angrenzenden EU-Länder in Sicherheit bringen. Bei uns haben per 3. Juni 2022, dem 100. Kriegstag, 55 379 Personen ein Gesuch um Status «S» gestellt.
Als Vergleich, dies ist etwa die Grösse der Stadt Biel oder vom Kanton Appenzell Ausserrhoden. Was bedeutet überhaupt der Schutzstatus S? Der Schutzstatus «S» wurde nach den Balkankonflikten in den 1990er Jahren geschaffen, aber bis jetzt nie angewendet. Er erlaubt Flüchtlingen, ein Jahr lang in der Schweiz zu leben und zu arbeiten. Der Bund kann den Schutzstatus bei Bedarf verlängern.
Auch in der Schweiz ist eine grosse Solidarität mit den Flüchtenden entstanden. Das zeigt sich einerseits in der grossen Anzahl entstandener Gastfamilien und andererseits in der immensen Hilfsbereitschaft der Bevölkerung. In meiner Wohngemeinde sind momentan gegen 40 Flüchtende aus der Ukraine bei Gastfamilien untergebracht. Das Angebot von privatem Wohnraum ist das eine, das andere sind die spontanen Spendenaufrufe oder das Sammeln von Hilfsgütern. So wurde beispielsweise in einer Nachbargemeinde eine umfangreiche Sammelaktion durchgeführt. Die Auslieferung der erhaltenen Waren ist danach pragmatisch und gut organisiert direkt ins betroffene Krisengebiet ausgeliefert worden. Das zeigt uns wieder einmal, wie in Notsituationen vieles einfacher und unbürokratisch funktionieren kann!
Wie sieht es in dieser Hinsicht mit dem Service public aus? Können die Erwartungen der Anspruchspersonen und die gestellten Qualitätsansprüche erfüllt werden? Ich denke, alle Personen, welche im Bereich Asylwesen tätig sind oder eine Aufgabe im Zusammenhang mit Flüchtenden haben, können dies unvoreingenommen bejahen. Wie eben dieser Service public im Asylwesen aussieht, beschreibe ich Ihnen am einfachsten kurz am Beispiel vom Sozialdienst Bezirk Affoltern (SOBA). Der SOBA regelt und koordiniert für 11 Gemeinden im Bezirk Affoltern das Asylwesen. Was ist genau unter dieser Dienstleistung zu verstehen? Dem Kanton Zürich sind mittlerweile rund 9600 Flüchtende aus der Ukraine zugewiesen worden. Für die betreffenden Gemeinden des Bezirkes bedeutet dies heute eine Aufnahme von rund 260 Personen. Es handelt sich bei den Personen ausschliesslich um Schutzsuchende aus der Ukraine. Diese Zahl erscheint auf den ersten Augenblick nicht so dramatisch. Vergleichen wir uns mit dem Ausland, dann sollte die Unterbringung der zugewiesenen Flüchtlinge doch keine Probleme darstellen.
Diese Einschätzung täuscht indes. Die Gemeinden verfügen in der Regel nur über wenige oder vereinzelte Wohnungen zur Unterbringung von Flüchtenden. Das heisst, die Gemeinden sind verantwortlich für genügend Wohnungen (Betten). Für die Gemeinden eine sehr grosse Herausforderung, den dringend benötigten Wohnraum sicherstellen zu können. Der SOBA ist für die Asylfürsorge und Betreuung zuständig. Wie sehen die Betreuungsaufgaben für die Flüchtenden im Einzelnen aus? Das Team Asyl- und Migrationswesen des SOBA hat innerhalb von 60 Tagen 150 neue Fälle in die Fallführung aufgenommen. Dies entspricht einer Zunahme von 100%, ohne zusätzliche Ressourcen. Die Mitarbeitenden im Asyl- und Migrationswesen kümmern sich im Wesentlichen um folgende Anliegen der Schutzsuchenden:
Persönliches Erstgespräch, Ansprechperson für allgemeine Fragen, Integrationsförderung, Suche nach geeignetem Wohnraum, Unterstützung bei finanziellen Anliegen, Klärung von Bildungsfragen bei Jugendlichen usw.
Zum Schluss dürfen wir nicht ausser Acht lassen, dass es nicht nur Asylsuchende aus der Ukraine gibt. Wir haben in der Schweiz nach wie vor Asylverfahren von bedrohten oder geflohenen Personen aus anderen Ländern. Auch in diesem Bereich verfügen wir in der Schweiz über gut funktionierende, soziale Institutionen, die Personen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen und Hilfe bei diversen Anliegen anbieten. Das heisst, im Sozialbereich arbeiten ebenso engagierte und wertvolle Mitarbeitende wie bei anderen öffentlichen Stellen.
Mit ihrer Arbeit stellen sie einen gut funktionierenden Service public sicher. Damit dies auch in Zukunft so bleibt, sind alle im öffentlichen Dienst gefordert, sich den laufenden Herausforderungen zu stellen und gegenüber Neuem weiterhin offen zu bleiben.
Besten Dank für Ihr Engagement im öffentlichen Dienst.
Rico Roth,
Vorstandsmitglied
Öffentliches Personal Schweiz (ZV)