Psychiatrische Dienste Aargau

Hausverbot für Pflegende im Aargau nach Kritik an der Klinikleitung

Einige öffentliche Arbeitgeber reagieren sehr empfindlich auf Kritik ihrer Mitarbeitenden. Die Psychiatrischen Dienste Aargau haben Pflegende, die sich beim zuständigen Regierungsrat über Missstände in der Klinik beschwert haben, vor die Türe gesetzt und Hausverbot erteilt – so berichtete die «Aargauer Zeitung» am vergangenen Wochenende. Dabei ist die Klinik deutlich unterbesetzt und der öffentliche Dienst hat alle Hände voll zu tun, oder noch konkreter: Die Aufgabenerfüllung droht nicht mehr gewährleistet zu sein, zum Nachteil der Bevölkerung.

Die Reaktion der Geschäftsleitung ist unverständlich. Etwas mehr Kritikfähigkeit würde den Vorgesetzten der stark belasteten Pflegenden guttun. Wer sein Personal nicht ernst nimmt, muss mit Reaktionen rechnen. Die schlechteste aller Reaktionen durch den Arbeitgeber ist allerdings, diejenigen Mitarbeitenden, die Missstände aufzeigen, zu «beurlauben», will heissen, zu bestrafen, vor die Tür zu setzen und nicht mehr zum Dienst zuzulassen. Dabei haben diese Pflegenden nicht etwa die Presse informiert oder in den Social Media reagiert (was ja auch eine Möglichkeit gewesen wäre), sondern sich beim zuständigen Regierungsrat besorgt über die Zustände geäussert. Das reicht heute schon aus, die dringend benötigten Pflegenden vom Dienst freizustellen. Dass diese Mitarbeitenden jemals in den Dienst zurückkehren können, scheint bei dieser Reaktion unwahrscheinlich.

Diese Kritikkultur ist bedenklich. Die Mitarbeitenden im öffentlichen Dienst sollen ihre Kritik zwar hierarchiekonform anbringen, wenn aber nicht angemessen reagiert wird, darf die nächste Instanz in Anspruch genommen werden. Selbst wenn dies einmal anders laufen sollte, ist wenig verständlich, dass der öffentliche Arbeitgeber dann sofort um sich schlägt. Diese Mitarbeitenden wollen die öffentliche Aufgabenerfüllung verbessern, nicht verschlechtern. Will man dies, ist Kritik notwendige Voraussetzung.

Der Mitarbeitende ist der Bevölkerung verpflichtet, nicht dem Vorgesetzten

Man darf sich deshalb fragen, wer hier dem öffentlichen Dienst mehr schadet, der Mitarbeitende, der sich sorgt, oder der Vorgesetzte, der diesen Mitarbeitenden vor die Tür setzt. Es ist daran zu erinnern: Der öffentliche Dienst setzt sich für die Aufgaben ein, die ihm gesetzlich zugewiesen wurden. Er behält dabei immer die Pflichten im Fokus, die er zu erfüllen hat. Er tut dies in möglichst bester Qualität. Der öffentliche Dienst ist der Bevölkerung und dem Auftrag verpflichtet, den ihm die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger erteilt haben. Er ist nicht dem Vorgesetzten und dessen Befindlichkeit verpflichtet und er ist auch nicht der Geschäftsleitung einer Aktiengesellschaft verpflichtet.

Es ist wenig erstaunlich, dass die übersteigerten Empfindlichkeiten häufig in formell privatisierter Aufgabenerfüllung, sprich in Staatsaktiengesellschaften, vorkommen. Das war im gleichen Kanton bereits vor Monaten der Fall, als eine Spitalaktiengesellschaft Chefärzte entlassen hat, über diese Auseinandersetzung wurde ebenfalls vor allem in der «Aargauer Zeitung» ausführlich berichtet. Auch hier waren offenbar Empfindlichkeiten auf der Chefetage der Grund. Dies muss man mit Sorge betrachten. Offenbar glauben Vorgesetzte, wenn sie die öffentliche Aufgabe in einer Aktiengesellschaft erbringen, seien sie nicht mehr so recht an die Grundsätze gebunden, die für den Staat allgemein gelten. Aus Sicht des öffentlichen Dienstes reden wir hier von willkürfreien Entscheiden, von anständigem Vorgehen bei Freistellung oder Entlassung, von Kritikfähigkeit, wenn es um die gute Aufgabenerfüllung geht, von Rechtsgleichheit und von korrekter Aufgabenerfüllung im Dienst der Bevölkerung.

Zu wenig Personal

Im konkreten Fall ist die Reaktion besonders unverständlich. Die Psychiatrischen Dienste mussten kürzlich 11 von 60 Betten schliessen, weil zu wenig Personal vorhanden ist. Eine Dauerüberlastung der Mitarbeitenden ist dort die Regel. Selbst wenn die freigestellten Mitarbeitenden beim Hinweis auf Unzulänglichkeiten in der Klinik eine Hierarchiestufe übersprungen hätten, wie dies behauptet wird, ist es dann wirklich angemessen, mit Ausschluss zu reagieren? Wir glauben das nicht. Und offenbar war es auch nicht so: Die Mitarbeitenden haben die Missstände seit Monaten bei der Geschäftsleitung bekannt gemacht, da muss es zulässig sein, in einem nächsten Schritt den Regierungsrat um Hilfe anzugehen. Hinzu kommt: Insbesondere bei den Psychiatrischen Diensten muss offen kommuniziert werden können, wenn Missstände erkannt werden. In diesem Bereich verträgt es keine Heimlichtuerei, selbst wenn ein Vorwurf einmal ungerechtfertigt sein sollte. Das lehrt uns die Geschichte.

Öffentliches Personal Schweiz hat schon des Öfteren auf den drohenden Personalmangel, insbesondere auch im Bereich der Pflege, hingewiesen. Der öffentliche Arbeitgeber tut deshalb gut daran, sein Personal anständig zu behandeln. Dazu gehört ganz klar, dass man mit den Mitarbeitenden spricht und ihre Kritik ernst nimmt. Und es gehört auch dazu, dass man bereit ist, Kritik zu ertragen.

Verzweifelte Eltern suizidgefährdeter Kinder

Und wer leidet noch? Offenbar sind auch die Eltern suizidgefährdeter Kinder verzweifelt, weil sie monatelang auf einen stationären Behandlungsplatz warten müssen. Dabei wird von diesen Eltern, so die «Aargauer Zeitung», den Mitarbeitenden explizit kein Vorwurf gemacht, aber dem Verwaltungsrat der Aktiengesellschaft schon, der lieber externe Gutachten in Auftrag gibt, als den betroffenen Eltern und den Mitarbeitenden in der Klinik Gehör zu schenken. Das versteht niemand.

Die Eltern betreuen ihre kranken Kinder zu Hause, während Mitarbeitende vom Dienst in der Klinik ferngehalten werden. Dies alles ist wenig überzeugend. Eine Kultur, die Kritik mit Freistellung quittiert, hat keine Zukunft und ist nicht guter öffentlicher Dienst.

Da sich das Fehlverhalten vor allem in verselbstständigten (öffentlichen, dem Staat gehörenden) Aktiengesellschaften konkretisiert, weil sich dort offenbar dann auch Vorgesetzte einfinden, die diese Funktion ausleben wollen, muss man sich ernsthaft die Frage stellen, ob dieser Weg der richtige ist. Auch darauf hat Öffentliches Personal Schweiz des Öfteren hingewiesen. Es besteht in der Regel kein Grund, eine öffentliche Aufgabe in eine Aktiengesellschaft auszulagern, um so bessere Dienstleistungen erwirken zu können. Der staatliche Kontrollverlust im Rahmen der verwaltungsinternen Aufsicht zeitigt keine guten Resultate, sondern führt oftmals zu einem Verhalten, das sich von der bewährten und richtigen staatlichen Aufgabenerfüllung absetzt. Das gilt insbesondere für das Verhalten von Geschäftsleitungen oder Verwaltungsräten, die sich mehr einer wirtschaftlichen Scheinfreiheit verpflichtet fühlen anstatt der korrekten Aufgabenerfüllung.

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