(K)ein Bier am Arbeitsplatz

Aufgrund dessen durfte der Arbeitnehmende die Behandlungsvereinbarung als unverbindlich betrachten. Damit stellte sein gelegentlicher Alkoholkonsum an den Wochenenden weder ein Verstoss gegen die Behandlungsvereinbarung noch einen sachlichen Kündigungsgrund dar. Das Bundesverwaltungsgericht hiess die Beschwerde diesbezüglich gut und sprach dem Arbeitnehmenden zehn Bruttomonatslöhne als Entschädigung zu (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-4128/2016 vom 27. Februar 2017).

Aus den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts können somit folgende Schlüsse gezogen werden: Grundsätzlich kann ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmenden auch in seiner Freizeit zur Alkoholabstinenz verpflichten. Da dies einen Eingriff in die Lebensgestaltung, konkret in die persönliche Freiheit, d.h . das Recht auf individuelle Selbstbestimmung und persönliche Entfaltung (Art. 10 Abs. 2 der Bundesverfassung [BV]) sowie der Schutz der Persönlichkeit vor übermässiger Bindung (Art. 27 des Zivilgesetzbuches [ZGB]) darstellt, muss ein solcher Eingriff sachlich gut begründet sein. Denkbar sind beispielsweise Fälle, in welchen ein Alkoholmissbrauch nachgewiesen werden kann und die Gefahr besteht, dass der betroffene Arbeitnehmende sich oder Dritte während seiner Arbeitstätigkeit gefährdet.

Besteht der Verdacht, dass ein Arbeitnehmender trotz eines Alkoholverbots seiner Tätigkeit im (an-)betrunkenen Zustand nachgeht, darf der Arbeitgeber aufgrund seiner Kontrollpflicht nicht einfach seine Augen davor verschliessen. Er hat die Verantwortung dafür, dass die Arbeitnehmenden sicherheitsgerecht arbeiten. Ohne Einwilligung des betroffenen Arbeitnehmenden darf jedoch nicht einfach ein Atemlufttest durchgeführt oder eine Urin- oder Blutprobe abgenommen werden. Kann der Verdacht nicht anderweitig ausgeräumt werden, bleibt dem Arbeitgeber in Erfüllung seiner Schutzpflicht meist nichts anderes, als den Arbeitnehmenden an einen ungefährlichen Arbeitsplatz zu versetzen oder – wenn diese Möglichkeit nicht besteht – ihn nach Hause zu schicken.

Pflichten des Arbeitnehmenden

Auch ohne eine entsprechende Regelung des Arbeitgebers darf sich ein Arbeitnehmender nicht in einen Zustand versetzen, in welchem er sich selbst oder andere gefährdet; sei es durch den Konsum von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln (Art. 11 Abs. 3 VUV). Allerdings existiert keine klare Regelung, ab welcher Promillegrenze von einem gefährdenden Zustand ausgegangen werden muss. Dies hängt in erster Linie von der Art bzw. der Gefährlichkeit der Arbeitstätigkeit ab. Ein gewisser Anhaltspunkt gibt der im Strassenverkehr geltende Blutalkoholgrenzwert von 0,5 Promille (für Neulenkende und Berufschauffeure gilt indes ein Alkoholverbot). Eine Beeinträchtigung der Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit sowie eine erhöhte Risikobereitschaft kann allerdings bereits ab 0,2 Promille auftreten.

Ist die Arbeitssicherheit nicht gefährdet, verschlechtert sich jedoch die Arbeitsleistung aufgrund des Alkoholkonsums, riskiert der Arbeitnehmende eine Abmahnung und – sofern sämtliche verhältnismässige Massnahmen ebenfalls keine positive Wirkung zeigen – letztlich die Kündigung.

Die konkrete Rechtslage im Einzelfall hängt somit immer (auch) von den spezifischen Umständen ab und ist nicht gänzlich widerspruchsfrei. Und auch die Darstellung des Themas in dem eingangs erwähnten Film «Der Rausch» gibt letztlich keine eindeutige Antwort darauf, ob das Experiment der vier Freunde total gescheitert ist. Die cineastische Darstellung eines in sich widersprüchlichen Themas innerhalb der gesellschaftlichen Wahrnehmung lohnt sich gemäss Auffassung der Autorin aber dennoch.

MLaw Lea Sturm
Rechtsanwältin

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