Als Impfchef ist Andreas Obrecht dafür verantwortlich, die Aargauer Bevölkerung durchzuimpfen. Momentan spürt er vor allem Ungeduld, weil es so lange dauert. Er befürchtet aber, dass es bald umgekehrt sein könnte und viel mehr Impfstoff verfügbar ist als impfwillige Personen. Mit der Herdenimmunität würde es dann schwierig werden.
Andreas Obrecht hat einen Stapel Unterlagen unter dem Arm und das Handy am Ohr, während er auf der Bachstrasse in Richtung Gesundheitsdepartement geht. Als Impfchef gibt es immer etwas zu tun. Organisieren, aufgleisen, entscheiden. Trotzdem nimmt er sich Zeit, auf die ersten drei Monate der Impfkampagne zurückzublicken, und verrät, wie es in den nächsten Monaten mit dem Impfen weitergeht.
Vor einem Jahr befanden wir uns mitten in der ausserordentlichen Lage. Einen Impfchef gab es noch nicht. Was haben Sie damals gemacht?
Andreas Obrecht: Ich habe in der Industrie gearbeitet und war Geschäftsleitungsmitglied bei der Orell Füssli Sicherheitsdruck AG in Zürich. Corona hat mich aber schon damals beschäftigt. Ich leitete den Pandemiestab im Geschäft. Gleichzeitig bin ich in meiner militärischen Funktion Mitglied des Kantonalen Führungsstabs und hatte zu diesem Zeitpunkt Pikett. Aus diesem Grund war ich der zweite Soldat im Kanton Aargau, der zugunsten der Pandemie eingerückt ist.
Acht Monate später wurden Sie Aargauer Impfchef. Wie kam es dazu?
Ich habe eine neue Herausforderung gesucht, und weil man mich im Aargau als Mitglied des Führungsstabs bereits kannte, wurde ich angefragt.
Haben Sie lange überlegt, ob Sie das Angebot annehmen?
Zum Überlegen blieb nicht viel Zeit. Es war eine dynamische Geschichte.
Was hat Sie gereizt?
Die Einmaligkeit. Eine solche Chance bekommt man einmal im Leben. Es ist eine spezielle Situation, und für mich ist es eine Ehre, dass ich knapp zehn Prozent der Schweizer Bevölkerung impfen darf.
Medizinisches Know-how bringen Sie nicht mit. Ist das ein Nachteil?
Nein. Ich habe ein Team, das sehr erfahren ist und dieses Know-how mitbringt. Auf Stufe Kanton ist das Impfprojekt sowieso grossmehrheitlich eine logistische Herausforderung und keine medizinische.
Sie haben die neue Funktion mitten in der Krise übernommen und waren der Neue. Wie war das?
Die Umgebung war neu, und auch die Leute kannte ich nicht. Aber wir haben ja relativ klein angefangen. Insofern hatte ich relativ grossen Einfluss darauf, wen ich ins Team aufnehme.
Sorgte es für böses Blut, dass Sie als Externer Impfchef wurden und nicht jemand vom Kernteam des Führungsstabs?
Nicht, dass ich wüsste. Ich habe vom Regierungsrat einen Auftrag erhalten mit dem klaren Ziel, die Bevölkerung des Kantons Aargau zu impfen. Dieses Ziel werde ich erfüllen.
Seit rund drei Monaten wird geimpft. Worauf sind Sie besonders stolz?
Auf alles, was wir als Team erreicht haben. Am ersten Tag war ich allein, tags darauf stiessen die ersten Mitarbeitenden hinzu, und inzwischen sind gegen 700 Personen in die Impfaktion involviert. Wir haben also innert kurzer Zeit ein KMU aufgebaut. Wenn ich vor einem Impfzentrum stehe, sehe ich nur glückliche Leute – das motiviert.