Der Fachkräftemangel ist in zahlreichen Bereichen bereits Tatsache. Die Entwicklung zeigt nur in eine Richtung: weiterer Anstieg. Die Ursachen sind klar: Die Generation der Babyboomer verlässt den Arbeitsmarkt und geht in Rente, Gleichzeitig hat die junge Generation andere Vorstellungen vom Leben als ihre Eltern. Viele wollen gar keine 100% Stelle mehr, sondern richten das Pensum an den effektiven finanziellen Bedürfnissen aus. Andere wollen ohnehin nur im Sinn von Freelancern dann arbeiten, wenn eine interessante Herausforderung wartet und die Lebensplanung den Einsatz zulässt.
Damit wird von noch grösserer Bedeutung, was die Personalverbände bereits seit Jahren verlangen: Aktive Förderung der Weiterbildung der Mitarbeitenden durch den Arbeitgeber. Es sind die eigenen Mitarbeitenden, welche die Rekrutierung im Bereich Fachkräfte sicherstellen können. Im öffentlichen Dienst ist dies von besonderer Bedeutung, weil die Mitarbeitenden in aller Regel sehr spezialisierte Arbeiten bewältigen, für die man auf dem Arbeitsmarkt nur selten den exakt passenden, im Spezialgebiet bereits komplett ausgebildeten Bewerber findet.
Eine solide Grundausbildung, dann aber die Fort- und Weiterbildung im Dienst sind zentral für die öffentliche Hand. Zudem: Wird die Spezialisierung einer Mitarbeitenden erhöht, besteht auch eine gewisse Gewähr, dass sie trotz bestehendem Fachkräftemangel in der Schweiz ihre Stelle nicht verlässt, weil die Anstrengungen des Arbeitgebers geschätzt werden und durch die Spezialisierung der Zuschnitt auf die Position immer genauer wird. Es kommt hinzu, dass mit steigendem Sachverstand auch die Freude am Beruf und an der Arbeit steigt.
Zusage zur Weiterbildung ist kein Gnadenakt
Das alles ist nicht neu. Neu ist aber die Entwicklung, dass man die passenden Mitarbeitenden schlicht nicht mehr findet. Die Ausgangslage macht klar, dass Fort- und Weiterbildung beiden Beteiligten, Arbeitgeber und Mitarbeitende, gleichsam nützen.
Es ist deshalb wenig verständlich, weshalb die öffentliche Hand in vielen Fällen grosse Mühe damit hat, fachbezogene Weiterbildungen anzuordnen und zu finanzieren. Oft erscheint die Zusage, diese oder jene Weiterbildung angehen zu können, als eine Art Dienstaltersgeschenk für langjährige gute Leistungserbringung. Das ist es aber nicht. Gute Weiterbildungsangebote (und auch die Pflicht des Mitarbeitenden, die Weiterbildung zu machen) ist die neue Art der Rekrutierung von Fachkräften. Die fehlenden Fachkräfte lassen sich am einfachsten und gewinnbringendsten aus den eigenen, bestehenden Mitarbeitenden rekrutieren. Das hat ganz erhebliche Vorteile: Man kennt die Mitarbeitenden unter Umständen bereits seit Jahren und weiss um seine Kenntnisse und sein Engagement; die Mitarbeitenden schätzen ein Umfeld, in dem Entwicklungsmöglichkeiten nicht nur möglich, sondern Standard sind. Die Weiterbildung ist eine Herausforderung, die, wenn bestanden, zu einer guten Arbeitsstimmung führt. Und nicht zuletzt, am wichtigsten: Die Qualität der Arbeit, die Fachkompetenz im öffentlichen Dienst, steigt.
Wer sich nicht weiterbilden darf, wird gehen
Jüngere Mitarbeitende sind ohnehin nicht bereit, in eine Arbeitsorganisation eingebunden zu werden, die Ihnen kaum oder jedenfalls keine realistischen Perspektiven, was ihre Entwicklung angeht, bietet. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt erlaubt, flexibel zu bleiben, die Bedürfnisse des Einzelnen werden durch relativ gute Entschädigungen auch in Teilzeitpensen abgedeckt, was in zeitlicher Hinsicht wiederum Freiheiten für Ausbildung schafft, die der Arbeitgeber nicht anbieten will. Klar ist dann aber auch, dass Mitarbeitende, denen eine ansprechende Weiterbildung verweigert wurde, den öffentlichen Dienst beim betreffenden Arbeitgeber verlassen und sich neuen Ufern zuwenden.
Es spricht alles dafür, dass die öffentliche Hand ihre Fachkräfte aus den eigenen Reihen durch Weiterbildungen rekrutiert. Von dieser anzustrebenden Normalität sind wir weit entfernt. Nur wenige Gemeinwesen engagieren sich konsequent in diese Richtung und machen die Weiterbildung zum festen Bestandteil eines Dienstverhältnisses. Meist ist es immer noch so, dass der Mitarbeitende entsprechend Antrag stellt und, wenn er Glück hat, damit durchdringt. Es müsste aber umgekehrt sein; die öffentliche Hand sollte für jede Arbeitsstelle die Fort- und Weiterbildung bereits unabhängig vom einzelnen Mitarbeiter vorsehen und planen. Dann ist bereits bei Stellenantritt klar, welchen Weg man gehen wird und wie sich der Job entwickelt. Es ist durchaus denkbar, dass nicht jeder Mitarbeitende von der Pflicht zur Weiterbildung begeistert ist, gehört dies aber zum Profil der Arbeitsstelle, ist die Weiterbildung Pflicht.
Weiterbildung kostet zunächst. Damit hat der öffentliche Arbeitgeber Mühe. In vielen Fällen ist der Weg vom Antrag zur Weiterbildung bis hin zur Zusage mit zahlreichen administrativen Hürden ausgestattet, die das Ziel fern erscheinen lassen; zeitliche Verzögerungen und unsichere Zusagen sind die Folge – das geht dann alles viel zu lange.
Die zögerliche Haltung der öffentlichen Hand, Fort- und Weiterbildungen zu finanzieren, lässt sich unschwer auch aus den zahlreichen Rückzahlungsvereinbarungen erkennen. Die öffentliche Hand sieht in der Weiterbildung oft in erster Linie Kosten, die anfallen und eine Arbeitsleistung, die während der Zeit der Ausbildung nicht mehr voll erbracht werden kann. Deshalb werden Mitarbeitende detailliert verpflichtet, die Kosten der Ausbildung zurückzuzahlen, wenn in einem Zeitraum von zumeist drei Jahren die Kündigung durch den Mitarbeitenden erfolgt. Doch ernsthaft: Lässt sich die jüngere Generation wirklich über drei Jahre einbinden mit der Drohung, Rückzahlungen leisten zu müssen, wenn die Arbeitsstelle verlassen wird?
Am Sinn solcher Vereinbarungen muss deshalb gezweifelt werden. Der Absenkpfad der Rückzahlungsverpflichtung muss, wenn überhaupt, sehr steil sein, sonst wird die Weiterbildung zur Hypothek. Hinzu kommt, dass in den nächsten Jahren auf breiter Ebene diese Weiterbildung des eigenen Personals erfolgen muss, will man die Aufgaben noch erfüllen können. Das wiederum heisst, dass alle Arbeitgeber ihre Mitarbeitenden ausbilden und der Wechsel vom einen zum anderen letztlich kaum finanziellen Auswirkungen hat, weil einmal der eine und dann wieder der andere profitiert.
Deshalb ist öffentliches Personal Schweiz überzeugt: Die öffentliche Hand muss für jede Position, die sie vergibt, eine Vorstellung über die Weiterbildung, die mit dieser Position verbunden ist, haben. Das muss kommuniziert und umgesetzt werden. Die Mitarbeitenden als Bittsteller zu behandeln, wenn sie entsprechende Vorschläge machen, das geht heute nicht mehr.