Starkes Engagement für den Service public weiterhin nötig

Ergänzende Bemerkungen zum Jahresbericht 2018

Urs Stauffer nahm die Delegiertenversammlung vom 10. Mai 2019 in Altdorf erneut zum Anlass, um dem Jahresbericht 2018, erschienen in der ZV Info April 2019, einige persönliche Gedanken beizufügen. Seine Ausführungen sind auf Zustimmung gestossen.

Öffentliche Dienstleistungen brauchen Treibstoff

Das Eingehen auf den Jahresbericht an der Delegiertenversammlung gibt mir immer wieder die Gelegenheit, ein paar präsidiale Sorgen etwas näher, freier und vielleicht auch emotionaler anzubringen als dies in schriftlicher Form möglich ist. Der Öffentliche Dienst ist das Fundament, auf dem die wirtschaftlichen und politischen Strukturen unseres bis heute gut funktionierenden 3-stufigen, föderalen Konstruktes Schweiz aufgebaut sind. Damit das Konstrukt Schweiz auf Dauer funktioniert und sich in die Zukunft bewegen kann, braucht es einen Treibstoff und somit Energie. Es braucht die direkten Steuern.

Sie sind eines der wichtigen Elemente, aus denen der Service public entsteht, welcher letztlich den Motor der schweizerischen Wirtschaft zum Laufen bringt. Die Wirtschaft wiederum produziert den Treibstoff, die Energie, also die direkten Steuern, welche durch die Besteuerung der Gewinne der Unternehmen sowie durch die Besteuerung der Einkommen und Vermögen der Arbeitnehmenden des privaten und des öffentlichen Sektors entstehen.

So entsteht ein wirtschaftlicher Kreislauf, welcher privatwirtschaftliche und öffentliche Dienstleistungen von höchster Qualität garantiert, die auch im internationalen Vergleich beste Noten erhalten. Dazu, meine sehr verehrten Damen und Herren, heisst es, Sorge zu tragen.

Eine Bundesvorlage, über die wir am 19. Mai abstimmen werden, macht mir diesbezüglich grosse Sorgen, es ist die Steuerreform und AHV-Finanzierung «STAF». Mit dieser Reform entzieht man der Finanzierung von öffentlichen Dienstleistungen zwischen 2 und 3 Milliarden Franken.

Zu dieser Reform sei man durch den internationalen Druck, durch die Androhung von Wirtschaftssanktionen seitens OECD und EU gezwungen. Bei den bis heute praktisch nicht besteuerten 20 000 Statusgesellschaften ist das sicher der Fall, das ist unbestritten. Aber doch nicht bei allen übrigen 380 000 Unternehmen, die schon heute nach internationalem Recht korrekt besteuert werden.

Der vorgesehene Totalumbau der schweizerischen Unternehmensbesteuerung macht aus dieser Bundesvorlage – und dies aus einer ausschliesslich inhaltlichen Betrachtungsweise und nicht aus politisch geprägter Sicht – ein Hochrisikovorhaben für die Finanzen der öffentlichen Hand, vor allem auf kommunaler Ebene.

Waren bei der von den Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern deutlich abgelehnten Unternehmenssteuerreform III noch die Steuerausfälle ein Thema, so werten die politischen Exponenten von links bis rechts den Kompromiss mit der AHV-Finanzierung als grossen Erfolg. Es ist auch aus meiner Sicht ein Erfolg. Sogar ein für die Schweiz fast einmaliger überparteilicher Kompromiss. Lassen wir die Diskussion um die Einheit der Materie einmal beiseite.

Aber, und dieses Aber ist laut und deutlich: Komplett vergessen dabei gingen in der politischen Auseinandersetzung die enormen Steuerausfälle, welche durch die Kombination von steuerpolitischen Massnahmen und kantonalen Gewinnsteuersatzsenkungen entstehen. Die in dieser Kombination in der Schweiz entstehenden Disparitäten können auch nicht durch Kompensationsmassnahmen und Ausgleichssysteme aufgefangen werden.

Die direkten Steuern, die ausschliesslich der Finanzierung von öffentlichen Dienstleistungen dienen, beinhalten auch unsere Löhne. Damit sind wir, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, Sie und ich, direkt betroffen. Als Präsident einer Dachorganisation von öffentlich Bediensteten fühle ich mich verpflichtet, Sie auf diese Problematik aufmerksam zu machen.

Bei einer Stadt oder Gemeinde beläuft sich der Finanzierungsanteil der direkten Steuern am Gesamthaushalt zum Teil auf 40 Prozent und mehr. Werden diese direkten Steuern nun durch die Auswirkungen der Steuerreform und AHV-Finanzierung in Verbindung mit kantonalen Gewinnsteuersatzsenkungen stark reduziert, dann werden wir öffentlich Bediensteten dies direkt zu spüren bekommen.

Es ist kaum anzunehmen, dass als Erstes Steuererhöhungen bei den natürlichen Personen, bei Bürgerinnen und Bürgern, folgen werden, um die Finanzierungslücken, welche durch die Steuerausfälle bei der Unternehmenssteuer entstehen, zu schliessen. Solche Steuererhöhungen sind immer mit einem politischen Risiko verbunden, denn dazu braucht es eine Volksabstimmung. Also verbleiben nur noch die Möglichkeiten von Sparmassnahmen und von Leistungsabbau – etwas, das wir aus der Vergangenheit schon zur Genüge kennen.

Es stellt sich auch die grundsätzliche Frage: Haben wir nicht bereits heute ein im internationalen Vergleich sehr grosszügiges Steuersystem? Dieses grosszügige Steuersystem wird es in Kürze voraussichtlich ermöglichen – wie bei einer Grossbank geschehen –, dass eine international zu leistende Strafzahlung von 5 Milliarden Franken wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung praktisch als geschäftsmässig begründeter Aufwand von den ordentlichen Steuern abgezogen werden kann.

Versuchen Sie doch mal, meine sehr verehrten Damen und Herren, einen Strafzettel von ihren ordentlichen Steuern abzuziehen und schauen Sie dann, wie die Steuerbehörde reagiert. Dieses Finanzinstitut verdankt übrigens seine heutige Existenz den Schweizer Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern, denn diese haben das Unternehmen während der Finanzkrise mittels Bereitstellen von Milliarden vor dem Untergang gerettet. So nebenbei noch erwähnt, betrifft dies eine Grossbank, deren 13 Konzernleitungsmitglieder im Jahr 2018, inklusive Boni, 101 Millionen Franken abkassiert haben und deren Konzernchef die schweizerische Politik in einem Zeitungsinterview aufgefordert hat, den Staat zu verschlanken.

Darf eine Steuerreform, welche die Unternehmen betrifft, zu einem Hochrisiko für die Finanzierung von öffentlichen Dienstleistungen werden und schlussendlich wegen fehlender Mittel die Lebensqualität von Bürgerinnen und Bürgern infrage stellen? Die Beantwortung dieser Frage überlasse ich gerne Ihnen, verbunden mit der Bitte, gut zu überlegen, ob Sie am 19. Mai bei der Beantwortung der Abstimmungsfrage Steuerreform und AHV-Finanzierung «STAF» ein JA oder ein NEIN in die Urne legen.

Das nach den letzten repräsentativen Umfragen nun fast als sicher geltende JA zur Steuerreform und AHV-Finanzierung wird in Kombination mit den darauffolgenden kantonalen Steuergesetzrevisionen die Finanzierungsfragen im Service public deutlich verschärfen. Sparmassnahmen, welche auf diese Reform zurückzuführen sind, lehnen wir bereits heute entschieden ab. Kehren wir zurück zu unserem Tagesgeschäft.

Sozialpartnerschaft

Die konsensorientierte Sozialpartnerschaft ist eine der Kernkompetenzen unserer Dachorganisationen und den angeschlossenen Verbänden. Auf diesem Weg konnten in den vergangenen Jahren vielerorts Erfolge erzielt werden, was zu klaren Verbesserungen der Anstellungsbedingungen in den betroffenen Kantonen, Städten oder Gemeinden führte.

Mit wachsender Besorgnis stellen wir heute allerdings bei einigen Kantonen und Städten auf Seiten der Arbeitgeberin eine Abkehr vom klassischen Modell der konsensorientierten  Sozialpartnerschaft fest. Dies führt zu einer nur noch sehr eingeschränkten Mitwirkung der Arbeitnehmenden bis hin zum totalen Verlust der Mitsprache bei Entscheidfindungen im Anstellungsbereich. Mit Ausnahme des Kantons Solothurn, wo die Sozialpartnerschaft klar und eindeutig in einem öffentlich-rechtlichen Gesamtarbeitsvertrag geregelt ist, steht diese in anderen Kantonen und Gemeinden auf sehr wackligen Füssen. Sie funktioniert in der Regel nur so gut, wie es die Arbeitgeber zulassen.

Weil auch bei mir in der Stadt Biel diesbezüglich bei der Arbeitgeberin Zerfallserscheinungen aufgetreten sind, haben wir uns, nach vorgängig heftigem Widerstand des Personalverbandes, gemeinsam mit der Arbeitgeberin darauf geeinigt, eine Prozessdefinition vorzunehmen und die verschiedenen Phasen der sozialpartnerschaftlichen Verhandlungen aufzuzeigen und gemeinsam zu vereinbaren. Wir hoffen, den in Biel mit der Arbeitgeberin vereinbarten Prozess der Sozialpartnerschaft auch als sozialpartnerschaftliches Modell für Öffentliches Personal Schweiz (ZV) einsetzen zu können.

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