Arbeit­nehmende 50 plus

Am 25. April 2017 fand zum dritten Mal die von Bundesrat Johann Schneider-Ammann einberufene Nationale Konferenz zum Thema «ältere Arbeitnehmende» statt. Vertreter von Bund, Kantonen und der Sozialpartner trafen sich in Bern zu einem Austausch, der die vergleichsweise schlechter Integration von Arbeitnehmenden 55plus gegenüber 40 bis 54-Jährigen im Arbeitsleben zum Inhalt hatte. Die Erwartungen der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite waren gegenläufig. Die Gewerkschaftspartner erachten blosse Appelle als ungenügend und fordern konkrete Massnahmen.

Ältere Arbeitnehmende verlieren ihren Job zwar seltener als Jüngere, gemäss Statistik ist es für sie aber schwieriger, eine neue Stelle zu finden. Sie bleiben deutlich länger ohne Anstellung als ihre jüngeren Kolleginnen und Kollegen.

Die Gründe sind vielseitig: Personalabbau in der betreffenden Branche, Bevorzugung jüngerer Arbeitskräfte oder unbegründete Vorurteile gegenüber älteren Arbeitnehmenden, sie seien unflexibel, wenig kreativ oder veränderungsunwillig. So ist die Arbeitslosigkeit der Altersgruppe 55plus in den letzten Jahren im Verhältnis stärker gestiegen als die Arbeitslosigkeit insgesamt. Da nun die geburtenstarken Jahrgänge in die Altersgruppe 55plus gehören und damit auf dem Arbeitsmarkt entsprechend stark vertreten sind, ist es nachvollziehbar, dass auch die Zahl der Arbeitslosen in dieser Alterskategorie steigt. So waren sich die Teilnehmenden der Konferenz denn auch in einem Punkt einig: Aufgrund der Belastung der Sozialversicherungen und des Fachkräftemangels ist es im Interesse aller, ältere Arbeitnehmende langfristig im Arbeitsmarkt (wieder) integrieren zu können.

Erfahrungsberichte von älteren Arbeitslosen zeigen, dass es tatsächlich schwierig ist, nach einer Kündigung eine neue Anstellung zu finden. Betroffene erklären, dass Absagen die Regel sind, selten erhalten sie die Möglichkeit, sich persönlich vorzustellen. Die Arbeitgeberseite sieht einen Grund darin, dass ältere Arbeitnehmende selten bereit sind, eine Stelle anzutreten, wenn sie weniger verdienen als früher, obwohl solche Lohneinbussen oft nur vorübergehend seien und nach wenigen Jahren wieder aufgeholt werden können. Die Arbeitgeber forderten an der nationalen Konferenz deshalb mehr Flexibilität von älteren Arbeitslosen. So sollen sie eine Stelle auch dann annehmen, wenn sie zu einem tieferen Lohn arbeiten müssten als bisher. Weshalb die Älteren dann auch überhaupt nicht zum Bewerbungsgespräch eingeladen werden, erklärt dies nicht

Die Gewerkschaftsseite wehrt sich klar gegen diese Forderung. Ihre Vertreter argumentierten, die Arbeitgeber würden versuchen, die Löhne zu drücken. Sie befürchten, dass die Entlassungen von älteren Arbeitnehmenden zunehmen würden. Sie forderten deshalb statt Appellen konkrete Massnahmen. Diese lauten – unter anderem – wie folgt:

  • Für langjährige Arbeitnehmende über 50 Jahren soll ein besonderer Kündigungsschutz eingeführt werden. Da dieser Kündigungsschutz an die Dauer der Betriebszugehörigkeit gekoppelt wird, wirkt er nicht als Hindernis für einen Wiedereintritt in den Arbeitsmarkt.
  • Das Parlament hat eine Stellenmeldepflicht (Meldung offener Stellen an staatliche Arbeitsvermittlungszentren) für bestimmte Branchen beschlossen. Diese muss nun konsequent umgesetzt werden, damit sie Wirkung entfalten kann.
  • Insbesondere Arbeitnehmende ab einem gewissen Alter (z.B. ab 45 Jahren) sollen ein Anrecht auf eine Standortbestimmung oder Laufbahnberatung erhalten. Ausserdem soll die Unterstützung bei Aus- und Weiterbildungen verbessert werden.
  • Ältere Arbeitnehmende benötigen eine bessere soziale Absicherung bei Erwerbslosigkeit. Die in der Altersvorsorge 2020 vorgesehene Regelung, dass Arbeitslose ab 58 Jahren in der Pensionskasse versichert bleiben und einen Rentenanspruch erhalten, ist ein Schritt in diese Richtung

In die Erklärung von Bundesrat Johann Schneider-Ammann zur Nationalen Konferenz hatten weder die Forderungen der Arbeitgeber- noch der Arbeitnehmerseite Eingang gefunden. Die Wahrheit liegt wohl – wie so oft – irgendwo in der Mitte. Appelle mögen zwar zum Nachdenken anregen und teilweise Wirkung zeigen, die gleichzeitige Umsetzung von konkreten Massnahmen dürfte jedoch trotzdem notwendig sein, um tatsächlich eine Verbesserung zu bewirken.

Modernisierung der Rahmenbedingungen

Ein Schritt in die richtige Richtung wäre ein Umdenken hinsichtlich altersgerechter und flexibler Arbeitsbedingungen, um ältere Arbeitnehmende möglichst lange im Erwerbsleben halten zu können. Mit einem fliessenden Übergang vom Arbeitsleben in die Pensionierung können sich Arbeitnehmende einerseits mit der neuen Lebenssituation «anfreunden» und andererseits ihr Wissen und ihre Erfahrung an ihre Nachfolger weitergeben. Arbeitgeber profitieren so vom Knowhow und der Erfahrung ihrer langjährigen Mitarbeitenden durch eine gute Nachfolgeplanung.

Es darf bei den Diskussionen von Verbesserungsmöglichkeiten, Massnahmen und Forderungen aber nicht vergessen werden, dass es auch in der Selbstverantwortung der Arbeitnehmenden liegt, ihre Arbeitsmarktattraktivität zu erhalten und sich in persönlicher und fachlicher Hinsicht weiterzuentwickeln. Dies bedingt wiederum, dass Arbeitgeber im Gegenzug bereit sind, ältere Arbeitnehmende genauso wie deren jüngeren Kollegen bei Weiterbildungen in finanzieller und/oder zeitlicher Hinsicht zu unterstützten.

Um ältere Arbeitnehmende – auch im Hinblick auf einen (zukünftigen) Fachkräftemangel – im Erwerbsleben halten zu können, müssen Arbeitgeber ihnen eine Chance geben und ihre Qualitäten wie Erfahrung, berufsbezogene Motivation sowie ihre breite Wissensbasis schätzen. Traurige Erfahrungsberichte von Betroffenen zeigen, dass es oft genau daran scheitert. Zurück bleiben Arbeitslose über 50, die gerne arbeiten möchten, Hunderte von Bewerbungen schreiben, aber selten eine Gelegenheit für ein Bewerbungsgespräch erhalten – jedoch immer eine Absage. Folge sind die Aussteuerung und der Gang zum Sozialamt – trotz dem Willen, zu arbeiten, egal was.

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