Altersvorsorge unter Dauerdruck

Sind die Generationenwerke AHV und 2. Säule als Ganzes in Gefahr?

In einem früheren Kommentar im Vorfeld zur Abstimmung «AHVplus» habe ich, in Übereinstimmung mit dem Verfasser eines NZZ-Artikels in der Ausgabe vom 21. Juni 2016, Helmut Stalder, festgehalten: Es geht nicht bloss um eine Erhöhung der AHV-Renten um 10 Prozent, sondern um die Altersvorsorge (als Ganzes) und der Streit wird heftig sein. So war es auch und ist es immer noch.

Das Abstimmungsergebnis zu «AHV plus» ist bekannt, das Schweizer Stimmvolk hat die Initiative abgelehnt. Aus meiner Sicht ist dieser Entscheid in doppelter Hinsicht betrüblich. Einerseits fällt ein wertvoller Beitrag zur Gewährleistung eines existenzsichernden Einkommens im Alter dahin. Was bedeutet der Entscheid aber darüber hinaus? Ist die Solidarität zwischen den Generationen an ihre Grenzen gestossen? Aus dem Ergebnis ist meines Erachtens sehr wohl zu schliessen, dass neue oder zusätzliche Umverteilungseffekte offenbar nicht mehr ohne weiteres mitgetragen werden.

Wenn dem so ist, hat dies auch Auswirkungen für die 2. Säule. Wie bereits verschiedentlich dargestellt, ist auch in der 2. Säule, obwohl es sich bei der 2. Säule dem Wesen nach um ein Kapitaldeckungssystem handelt, ein gewisser Umverteilungsanteil enthalten, zumindest solange der technische Zinssatz (TZ) deutlich über dem BVG-Mindestzinssatz liegt. Dies ist auch heute noch, wahrscheinlich bei allen Vorsorgeeinrichtungen, der Fall, auch wenn der TZ, als wär’s ein Allerheilsmittel, auf breiter Front gegen unten angepasst wird.

In der Behandlung des Pakets Altersvorsorge 2020 haben Ständerat und Nationalrat beschlossen, den BVG-Mindestumwandlungssatz schrittweise von 6.8 Prozent auf 6 Prozent zu senken, jeweils in Schritten zu 0.2 Prozentpunkte pro Jahr. In beiden Räten herrscht zudem Konsens, dass Ausgleichsmassnahmen notwendig sind, um das Rentenniveau zu halten. Strittig ist, welches diese Massnahmen sein sollen. Währendem der Ständerat ein Ausgleichskonzept beschlossen hat, das Massnahmen in der AHV und der 2. Säule vorsieht, will der Nationalrat Ausgleichsmassnahmen nur im BVG treffen. Welches der beiden Konzepte den Vorzug erhält, ist noch offen. Positiv ist immerhin, dass in beiden Räten eine Mehrheit Ausgleichsmassnahmen für unabdingbar erachtet.

Aber: Mit der nun diskutierten Senkung des BVG-Mindestzinssatzes inklusive Ausgleichsmassnahmen sind die Probleme auf der Verpflichtungsseite und auch die oben aufgeworfenen Fragen nur teilweise gelöst. Eine zentrale Frage, wie weit der TZ vom BVG-Mindestzinssatz abweichen darf oder soll, ist damit nicht beantwortet. Ich erinnere daran: Wenn sich das Zinsumfeld nicht erheblich ändert, werden die Pensionskassen weiterhin kaum mehr in der Lage sein, mit vertretbaren Risiken im Anlagebereich die erforderlichen Mindestrenditen zu erzielen. Sparpotenzial besteht, wie schon mehrfach erwähnt, durch tiefe Verzinsung des Sparkapitals der Aktivversicherten und/oder durch die Senkung des TZ und des Umwandlungssatzes, zumindest wenn dieser kostenneutral sein soll. Dies bedeutet aber auch: Senkung des Rentenniveaus.

Ehrlicherweise braucht es, wenn das Rentenniveau gehalten werden soll, nebst den Ausgleichsmassnahmen, wie sie in den Räten diskutiert werden, auch höhere Lohnbeiträge – eine 3. Säule kann sich nicht jeder leisten. Und realistischerweise muss auch in der 2. Säule ein gewisses Mass an Umverteilungseffekten in Kauf genommen werden. Nicht zuletzt auch deshalb, weil der Rentenbezug attraktiver sein sollte, als der Kapitalvorbezug. Dies ist nur dann der Fall, wenn der TZ auf einem halbwegs attraktiven Niveau bleibt. Ist dies nicht mehr gegeben – es gibt in Fachkreisen Szenarien, die von einem Nullniveau des TZ ausgehen – dürfte der Kapitalbezug stark überhand nehmen, was meines Erachtens zwangsläufig zu einem Chaos in der Altersfinanzierung führen würde.

Wenn ich ein Fazit ziehen darf und ich wiederhole mich dabei: In der Altersvorsorge gibt es kein Freibier. Und ohne Generationensolidarität ist eine gesicherte Altersvorsorge nicht möglich. In diesem Sinne wünsche ich Euch allen frohe Weihnachten und alles Gute im 2017.

 

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