Bewerbungen

«Die Absagen lauten immer gleich»

Erfahrung zählt – so titelte Context, die Mitgliederzeitschrift des Kaufmännischen Verbandes Schweiz, kürzlich einen Artikel über ältere Arbeitnehmende. Viel zu positiv, fand eine Leserin dazu. Hier ihre eigenen Erfahrungen bei der Stellensuche.

«Jeden Morgen zwischen acht und neun Uhr fange ich an, nach Stellenanzeigen zu suchen. Dabei bewege ich mich ausschliesslich auf den Stellenportalen im Internet. Und ich bewerbe mich nur, wenn ich alle oder praktisch alle Anforderungen erfülle. Sehr viel Wert lege ich auf das Motivationsschreiben. Bevor ich damit anfange, mache ich mir ein möglichst genaues Bild der jeweiligen Firma, und das soll dann im Schreiben auch zum Ausdruck kommen. Am Tag darauf lese ich den Brief nochmals durch und erst dann schicke ich ihn zusammen mit dem Lebenslauf ab. Den Lebenslauf habe ich von einer Laufbahnberaterin des Kaufmännischen Verbandes Zürich durchsehen lassen. Ihrer Meinung nach ist er in Ordnung.

An den Stellenausschreibungen fällt mir auf, wie häufig darin Softskills als Anforderungen genannt werden: loyal, teamfähig, zuverlässig, belastbar, kommunikativ – da frage ich mich schon manchmal, warum man das heute alles explizit verlangen muss. Das hat man doch früher einfach als ganz selbstverständlich vorausgesetzt.

Ich bin 59 Jahre alt, seit dem 1. Juni 2017 auf Stellensuche. Mittlerweile habe ich rund 80 Bewerbungen verschickt. Ein einziges Mal wurde ich zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Das war im Oktober. Doch leider ist dieses nicht gut verlaufen. Ich war sehr stark erkältet und hätte das Gespräch eigentlich verschieben sollen. Doch das wollte ich nicht. Ich befürchtete, dass mir das negativ ausgelegt werden könnte und wollte die Chance unbedingt packen. Es war mir sehr wohl bewusst, dass es bis zum nächsten Vorstellunggespräch lange dauern würde.

Die schriftlichen Absagen lauten immer etwa gleich. Der Ausdruck «Anforderungsprofil» kommt meistens vor. Es gebe Kandidatinnen, welche dem Anforderungsprofil noch besser entsprechen als ich, so lautet die übliche Begründung, auch wenn ich alle gewünschten Kriterien erfülle. Und so lese ich da jeweils zwischen den Zeilen noch eine andere Begründung, denn ausgesprochen wird diese nie: das Alter.

Ich setze gewisse Hoffnungen auf die Arbeitgeber im öffentlichen Sektor. Manche von ihnen sind offen gegenüber älteren Bewerberinnen. So wurde mir anlässlich meines Vorstellungsgesprächs gesagt, dass ich nicht trotz, sondern wegen meines Alters eingeladen worden sei. Zuvor habe es mit jüngeren Mitarbeiterinnen sehr viele Wechsel gegeben, was nicht nur Unruhe ins Team gebracht habe, sondern auch viel Zeit und Geld kostete. Ich wurde dann gefragt, wie lange ich denn bleiben würde. Nun, da musste ich nicht lange überlegen: sehr gerne bis zur Pensionierung. Das wären immerhin noch fünf Jahre. Jedenfalls habe ich es sehr geschätzt, dass überhaupt auch mal jemand einen Vorteil in der Beschäftigung einer älteren Person sieht.

Zuletzt angestellt war ich bei einer Firma, die auf die Betreuung und Unterbringung von Asylsuchenden und Flüchtlingen spezialisiert ist. Dieser wurden einzelne Aufträge durch den Kanton entzogen. Es kam zu Umstrukturierungen, wobei 18 Personen entlassen wurden. Es ist im Vorfeld alles sehr unschön abgelaufen. Bevor ich dort anfing, war ich bereits ein paar Monate arbeitslos. Obwohl ich nicht überzeugt war, habe ich die Stelle angenommen. Besser das als nichts, sagte ich mir. Immerhin stellten sie über 50-Jährige ein. Ihre Motivation dafür – so muss ich im Nachhinein feststellen – lag aber im Wesentlichen darin, dass man Ältere schlecht bezahlen kann, und diese nicht so schnell wieder davonlaufen. Ich wurde dort regelrecht überhäuft mit Arbeit, und wenn ich mich einmal beschwerte, hiess es: Du bist halt zu langsam. Tatsache aber war, dass sich in der Zwischenzeit viel dringende Arbeit angesammelt hatte. Denn in einem ersten Anlauf erhielt ich auch dort eine Absage, weil sie eine Mitbewerberin vorzogen. Diese aber kündigte noch in der Probezeit. Erst unter diesen Umständen stellten sie mich ein, als Arbeitslose, die sofort einspringen kann. Die Arbeitssituation war chaotisch. Die jüngeren Mitarbeitenden haben fortlaufend gekündigt. Als ich selber die Kündigung erhielt, war ich fast erleichtert. Ich hätte dort für mich überhaupt keine Zukunft gesehen, und viele andere auch nicht. Wir waren billige Arbeitskräfte, Know-how war gar nicht gefragt.

Ursprünglich habe ich eine Anlehre als Schuhverkäuferin gemacht. Kurz nach Abschluss wechselte ich in den kaufmännischen Bereich. Anfang der 80er-Jahre konnte man ein kleines Inserat in die Zeitung setzen und erhielt zwanzig Angebote. So lernte ich im Laufe der Zeit ganz unterschiedliche Branchen kennen. Mit 40 Jahren habe ich berufsbegleitend noch die kaufmännische Lehre abgeschlossen. Ich war bei einem grossen Umwelttechnik-Unternehmen voll berufstätig und ging dreimal pro Woche in die Schule. Das war eine sehr strenge Zeit, aber dieser Abschluss war mir wichtig, auch wenn ich zuvor ganz gut auch ohne durchs Berufsleben gekommen bin.

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