Digitalisierung

Eine Utopie wird Realität

Arbeitswelt 4.0

Bereits im November 2015 hatte der dbb einen Dialogbeitrag zum Grünbuch «Arbeiten 4.0» des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) eingereicht. Darin werden die aus Sicht des gewerkschaftlichen Dachverbandes wichtigsten Ziele für die Arbeitswelt der Zukunft skizziert: Von zentraler Bedeutung ist dabei, dass auch in der Arbeitsgesellschaft von morgen der Mensch im Mittelpunkt steht. So sollen die durch die Digitalisierung entstehenden Möglichkeiten vornehmlich genutzt werden, um Beschäftigungsbedingungen zu verbessern. In diesem Sinne gestaltet der gewerkschaftliche Dachverband den Dialog über die dafür notwendigen gesetzgeberischen Maßnahmen als Sozialpartner aktiv mit. So sollen etwa flexiblere Arbeitszeitmodelle mit einer zufriedenstellenden Work-Life-Balance und der Ausbau der das Arbeitsleben begleitenden Qualifizierungsmaßnahmen forciert und gleichzeitig die soziale Sicherheit inklusive eines angemessenen Lohnniveaus sowie die Mitbestimmung gestärkt werden. Diesen Anspruch hat dbb Chef Klaus Dauderstädt unter anderem, weil bei den Auswirkungen der Digitalisierung auf Arbeitswelt und Qualifizierung der öffentliche Dienst zwangsläufig schnell in den Fokus rückt: «Die Zukunftsfähigkeit des Standorts Deutschland setzt eine moderne Infrastruktur voraus. Dazu gehört auch ein öffentlicher Dienst, der mit der digitalen Entwicklung Schritt hält und die diesbezüglichen Erwartungen der Bürger und der Wirtschaft gleichermaßen erfüllen kann.»
Die Bundesregierung, so Dauderstädt, habe mit Projekten wie der Demografiestrategie, dem Programm «Digitale Verwaltung» oder dem Grünbuch* «Arbeiten 4.0» gute Ansätze geliefert, die der dbb konstruktiv und kritisch begleite: «Wir nutzen dafür als Gewerkschaft unsere Gestaltungskompetenzen in Tarifverträgen und über Personal- und Betriebsräte in Vereinbarungen mit den Arbeitgebern, um zeitgerechte Modelle für Arbeitszeiten und Arbeitsformen ebenso wie zum Familie-Berufs-Spannungsfeld anzubieten. Wir bejahen dazu auch Chancen wie Pflichten zu erforderlichen Qualifikationen.»

Gleichzeitig sieht der dbb aber auch die mit einer umfassenden Digitalisierung der Gesellschaft verbundenen Gefahren für Bürger und Beschäftigte: «Mit Sorge blicken wir zum Beispiel auf den Verlust sozialer Kontaktebenen durch anonymisierte Arbeitsplätze, auf die Verdrängung von Festangestellten durch ‚digitale Tagelöhner‘ oder die Entwertung klassischer Aufgabenfelder im Zuge einer immer stärker um sich greifenden Digitalisierung und Automatisierung der Abläufe. Über diese negativen Aspekte müssen wir immer wieder mit der Bundesregierung sprechen.»

Kollege Roboter übernimmt den Job

Unter diesen Aspekten betrachtet verlangt die Digitalisierung der Arbeitswelt nicht nur stetiges Reagieren auf Veränderung, sondern ebenso stetiges Korrigieren von Entwicklungen, damit sich der Mensch am Ende nicht selbst abschafft. Während die vorangegangenen industriellen Revolutionen in ihrer Bilanz jeweils mit einem Plus an Konjunktur und damit einem Plus an Arbeit geglänzt haben, könnte das bei der vierten industriellen Revolution anders sein. Britische Ökonomen wie Carl Benedikt Frey und Michael Osborne von der University of Oxford befürchten zum Beispiel, dass in naher Zukunft jeder zweite amerikanische Job ersetzbar wird. Und das betrifft ihrer Studie «The Future of Employment» zufolge bei Weitem nicht nur einfache Arbeiten, sondern zunehmend auch höher qualifizierte Jobs.

Ähnliche Szenarien prognostizierte die Unternehmensberatung A.T. Kearny Ende 2015 für Deutschland: 45 Prozent der heutigen Jobs seien durch Roboter bedroht: «Die Arbeitslosenzahlen sind zwar so niedrig wie seit Jahrzehnten nicht mehr, doch Grund, sich zurückzulehnen, besteht angesichts der rasant fortschreitenden Automatisierung nicht», sagte Dr. Martin Sonnenschein, Partner und Europachef bei A.T. Kearney. «In 20 Jahren wird fast die Hälfte der heutigen Arbeitsplätze in Deutschland durch Roboter ersetzt werden, die die Jobs effizienter erledigen können. Das fordert uns viel Veränderungsbereitschaft und Flexibilität ab. Wer sie aufbringt, kann von diesem drastischen Wandel aber auch profitieren – als Arbeitnehmer und als Arbeitgeber.»

Im Rahmen ihrer Gesellschaftsinitiative «Deutschland 2064 – die Welt unserer Kinder» hat die Unternehmensberatung untersucht, welchen Einfluss Roboter und Automatisierung zukünftig auf unsere Arbeitswelt haben werden. Die Berechnungen, die A.T. Kearney in Anlehnung an die Forschungsarbeiten der Oxford-Professoren Frey und Osborne für den deutschen Arbeitsmarkt durchgeführt hat, bestimmen, wie wahrscheinlich die Automatisierung in rund 1300 Berufen ist. Das Ergebnis: In der Bundesrepublik weisen über 300 und damit ein Viertel aller Jobprofile ein hohes Automatisierungsrisiko in den nächsten beiden Jahrzehnten auf. Der mögliche Effekt für den Arbeitsmarkt ist drastisch, weil in diesen Bereichen 17,2 Millionen Männer und Frauen beschäftigt sind – das sind 45 Prozent aller Beschäftigten. Allerdings entfällt auch ein Beruf mit hoher Automatisierungswahrscheinlichkeit nicht zwangsläufig vollständig.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.